Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
dramatische Wirkungspause ein. Eleanor hatte zunächst nicht antworten wollen, aber sie fühlte sich plötzlich von einer kühlen Geringschätzung erfüllt. Sie sah Sylvia gerade ins Gesicht und begann zu lachen. »Cousine Sylvia«, sagte sie, »bist du etwa in diesem Nebel extra hierhergekommen, nur um mir zu erzählen, daß Kester und Isabel eine Liebesaffäre miteinander hatten? Hast du etwa gar angenommen, ich wüßte das nicht?«
Cousine Sylvia stierte und begann zu keuchen. Zunächst war sie nur verwirrt, aber dann wuchs die Empörung in ihr, alle ihre Anstrengungen verschwendet zu haben, ohne offenbar den ersehnten Triumph einheimsen zu können. »So hat dir bereits jemand angedeutet – –«, tastete sie.
Eleanor goß sich die dritte Tasse Kaffee ein und sah Sylvia ruhig an. Sie sah den lächerlichen Aufputz, in dem sie steckte, das Rouge über den Runzeln, den verzweifelten Versuch, um alles in der Welt jung zu erscheinen, und sie fühlte kein Mitleid. »Ich fürchte, du lebst noch im neunzehnten Jahrhundert, meine Liebe«, sagte sie, »Kester und ich verstehen einander vollkommen.«
Sylvia öffnete den Mund und vergaß ihn wieder zu schließen.
Eleanor aber sammelte ihre eignen Waffen. »Es ist ja klar«, sagte sie, »daß eine Frau in deinem Alter die heutige junge Generation nicht mehr verstehen kann. Vermutlich klammerst du dich noch an die altertümliche Auffassung, wer einmal verheiratet sei, müsse Angehörige des anderen Geschlechts wie Aussätzige behandeln. Ach, Liebste, was muß das für ein langweiliges Leben gewesen sein! Aber zu deiner Zeit erwartete man wohl von den Leuten, daß sie schwerfällig und langweilig seien, wie?«
In Sylvias Augen flimmerte es; sie gurgelte: »Dann – dann weißt du also, daß – daß Kester und Isabel – und – und hast nichts dagegen?«
»Aber Cousine Sylvia«, sagte Eleanor, »selbst in deinem Alter sollte man sich vergegenwärtigen, daß die Welt sich geändert hat. Wir sind so großzügig geworden, seit der Zeit, da du einmal jung warst. Die neue Freiheit hat allerlei für sich. Kester und ich würden es uns nie im Traum einfallen lassen, einander in so sklavischer Bindung zu halten.«
»Einander?« echote Sylvia. Sie saß etwas vornübergebeugt, ihre Hände tasteten unruhig die Sessellehnen ab.
Eleanor langte herüber und strich ihr freundschaftlich über die Hand. »Nun, sorge dich nicht weiter, Cousine Sylvia«, sagte sie. »Ich weiß, du wolltest mir helfen, deshalb bist du gekommen, um mir etwas zu erzählen, von dem du dachtest, ich wüßte es nicht. Deine Herzensgüte hat dich dazu veranlaßt; glaube mir, daß ich das zu würdigen weiß. Aber nun versuche auch, zu verstehen, daß moderne Menschen diese Dinge ein wenig anders betrachten.«
Cousine Sylvia blinzelte, während Eleanor sie mit einem kleinen, amüsierten Lächeln betrachtete. Plötzlich stand sie auf. Sie erhob sich zu ihrer vollen Größe, die allerdings nicht sehr beträchtlich war.
»Du kannst lachen!« rief sie entsetzt, »du kannst über solche Dinge lachen! Eleanor Larne, du hast kein moralisches Gefühl! Ich schäme mich, daß ich versucht habe, dir einen Freundschaftsdienst zu erweisen.«
»Schämst du dich wirklich?« Eleanor stand auf. »Das ist aber gut.« Sie reichte Sylvia ihren Mantel und ihre Handtasche. »Laß es dir eine Lehre sein«, sagte sie, »es macht einen Menschen lächerlich, wenn er sich mit Dingen befaßt, von denen er nichts versteht.«
»Ich verstehe mich auf Moral und Anstand!« entgegnete Sylvia. Sie schlüpfte in ihren Mantel. »Aber ich verstehe Leute nicht, die nicht die Fähigkeit moralischer Entrüstung haben. Nachdem ich dich so sprechen hörte, würde es mich gar nicht überraschen, wenn du deine Ehegelübde ebenfalls brechen würdest. Wahrhaftig, nicht im geringsten würde mich das überraschen! Hör sofort auf, mich auszulachen!«
Eleanor dachte nicht daran. »Kester hat mir oft erzählt, du seiest so spaßig«, sagte sie. »Du bist es wirklich.« Sie öffnete die Tür. »Ich danke dir schön für den unterhaltsamen Vormittag.«
Sylvia schritt aufrechten Ganges und hocherhobenen Hauptes in die Halle hinaus. »Wir hätten es wissen sollen«, sagte sie. »Wir hätten wissen sollen, was geschieht, wenn ein Mann von vornehmer Geburt eine Frau heiratet, die gewöhnlich ist wie ein Schweinehirt! O Gott, wir hätten es wissen sollen!«
»Du solltest es sicher gewußt haben«, stimmte Eleanor zu, während sie Sylvia folgte, »und du
Weitere Kostenlose Bücher