Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
hinauswillst.«
»Ich meine ganz einfach, was ich sage, du brauchst nichts hineinzudeuten.« Fred suchte nach den Worten und sprach sie mit langsamem Nachdruck vor sich hin. »Nichts ist im Grunde so großartig und unverletzlich, wie es dir erscheint. Es kommen immer wieder Zeiten, wo Dinge in Scherben gehen, die wir für unzerstörbar hielten. Wir müssen immer auf Zusammenbrüche vorbereitet sein, und wir haben die Kraft mitbekommen, mit solchen Erlebnissen fertig zu werden.«
Er sah ihr mit wacher Aufmerksamkeit in die weit geöffneten Augen. »Ich weiß das heute, Eleanor«, fuhr er fort, »aber ich habe es nicht immer gewußt. Zum erstenmal wurde es mir klar, als ein Deich brach und zusammenstürzte, weil der Strom mächtiger war; es hätte mich bald das Leben gekostet. Ich hatte den Damm selber projektiert und gebaut, und ich wußte, daß alles in Ordnung und nichts versehen war. Und doch brach er, und ich mußte erkennen, daß es Kräfte gibt, die wir nur schwer oder gar nicht einschätzen können. Du kannst nicht mehr tun als das, was du aus bestem Gewissen für das Rechte hältst. Glaubst du mir das?«
»Warum? – Ja, natürlich!« sagte Eleanor, aber sie sagte es mit einer so glücklich-unbekümmerten Stimme, die ihm wie ihr selber sagte, daß sie nicht überzeugt war.
Fred Upjohn schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß, du glaubst das noch nicht. Du bist überzeugt, es aus dir heraus meistern zu können. Versuche es trotzdem, mit dem Unvorhersehbaren zu rechnen. Es macht die Dinge leichter ertragbar. Eleanor, ich kümmere mich nicht um das, was da auf dich zukommt und Besitz von deinem Leben ergreift. Ich warne dich nur: Verliere dich nicht in einer Welt, die jenseits alles dessen steht, was du bist. Bleibe du selbst und verlaß dich auf nichts als die eigene Kraft. Die wirklichen Entscheidungen fallen diesseits des Ruhmes! Daran erinnere dich, wenn es aus jener Welt heraus nach dir greift. Nicht um meinet-, um deinetwillen!«
»Ja, Vater.« Sie beugte sich etwas vor und sah zu ihm auf. »Ich sage es noch einmal, Pa, du bist ein großartiger Mann, und ich liebe dich sehr. Aber ich bitte dich herzlich, im Zusammenhang mit mir keinen traurigen Vorahnungen Raum zu geben. Ich bin sicher, daß alles gut werden wird. Ich weiß, daß ich mit Kester ein glückliches Leben führen werde –«
Fred unterbrach: »Ich hoffe und wünsche es von ganzem Herzen, Kind. Gott schütze dich, Eleanor.«
Am nächsten Tag waren Eleanor und Kester verheiratet. Es war jetzt die letzte Woche im Mai. Sie fuhren zur Golfküste hinunter und waren so glücklich, daß sie nichts wußten und dachten, als daß sie vereinigt und zusammen waren.
Drittes Kapitel
I
D er Golf glich einem weitgespannten Bogen aus purpurschimmerndem Glas. Hinter dem Strand winkten die Fächer und Federn der Palmen, die die großen Hotelbauten umstanden, deren weiße Fassaden im Sonnenlicht glänzten. Die Tage folgten einander in nicht abreißender Fülle. Eleanor und Kester schwammen und wanderten, oder sie lagen zusammen am Strand in der unendlichen Weite von Sand, Sonne und Wasser, sahen einander an und redeten wenig; manchmal vergingen Stunden, ohne daß sie ein Wort sprachen. Das Wunder ihres Beisammenseins erfüllte sie ganz. Manchmal fragte sich Eleanor, ob sie wohl jedes Jahr Zeit haben würde, um sich solche sorglosen Ferien zu leisten.
Es war ja zum erstenmal in ihrem Leben, daß sie Ruhe und Untätigkeit kennenlernte. Sie war immer, solange sie denken konnte, irgendwie beschäftigt gewesen; immer war irgendwo ein Ziel gewesen, das es zu erreichen galt, und sie hatte niemals Ruhe gegeben, bis sie durchgesetzt hatte, was sie wollte. Langeweile kannte sie nicht, Nichtstun ertrug sie nicht, immer hatte ihre vorwärtsdrängende Tatkraft Ausschau nach neuen Aufgaben gehalten, die anzupacken und zu bewältigen sich lohnte. Hier nun war sie zu Ruhe und Nichtstun verurteilt. Sie gedachte der schier unerträglichen Spannung zu Hause, die sie in den letzten Monaten in Atem gehalten hatte, und sie wußte nicht recht, ob das Nachlassen dieser Spannung nun auf die schließliche Nachgiebigkeit ihres Vaters oder auf ihre plötzliche Befreiung aus dem Arbeits- und Pflichtenzwang zurückzuführen war. Sie mußte zuweilen lächeln, wenn ihr klar wurde, wie wenig sie eigentlich vom Leben gewußt hatte, obgleich sie sich doch immer eingebildet hatte, sie sei klug und weise und gegen Überraschungen gesichert. Kester war ein wundervoller Liebhaber und ein
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