Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
machst dir keine Sorgen.«
»Nein«, sagte er, »das tue ich nicht. Wahrhaftig, das tue ich nicht. Und ich empfehle dir, es auch nicht zu tun.« Er wandte sich um, um zu gehen, verhielt aber noch einmal den Schritt. »Steige im St.-Charles-Hotel ab«, sagte er, »es liegt an der Straße, die wir immer gegangen sind.«
Er schloß die Tür hinter sich. Eleanor stand regungslos im Raum und fühlte, wie sie anfing, sich selber zu hassen. Immer kam es in ihr hoch, und sie konnte die Worte dann nicht zurückhalten. Sie stürzten ihr heraus wie die Kröten aus dem Munde des ungezogenen Mädchens im Märchen. Aber wie böse das Mädchen im Märchen auch immer gewesen sein mochte, ob ihr die Kröten wohl auch im Angesicht des geliebtesten Menschen aus dem Mund geschlüpft wären? Warum nur mußte sie Kester immer wieder so böse Worte sagen? Nahm sie ihm übel, daß sein Wesen es ihr unmöglich machte, ihm ernsthaft zu zürnen? Sie wußte es nicht, aber sie wollte den jüngsten Fehler sogleich wieder gutmachen. Sie wollte ihm nachgehen und ihn um Verzeihung für ihre Unbeherrschtheit bitten. Ja, sie würde ihm sogar nachgeben und mit nach Silberwald fahren, nur um ihm zu beweisen, wie leid es ihr tat, ihn neuerlich gekränkt zu haben.
Aber da sie sein Zimmer betrat, war es leer, und als sie eben die Treppe hinunterging, um nach ihm zu schauen, hörte sie, wie unten die Haustür zufiel. Sie eilte zum Fenster, von wo aus sie die ganze Rasenfläche zu übersehen vermochte, und sah Kester bereits die Allee hinunterfahren. Er fuhr noch schneller als sonst, so schnell, daß sie für seine Sicherheit zu fürchten begann und ins Zittern geriet, vor heimlicher Angst und vor Schmerz darüber, daß sie keine Möglichkeit mehr gefunden hatte, seine Verzeihung zu erbitten.
Sie zog die Uhr aus dem Gürtel, die Kester ihr Weihnachten geschenkt hatte; es war eben halb eins, also noch viel zu früh, um nach Silberwald zu fahren, da sie erst für zwei Uhr geladen waren und man die Plantage mit dem Auto in zwanzig Minuten erreichte.
Eleanor ließ den Kopf hängen, fühlte sich besiegt und geschlagen und kehrte mit trägen Bewegungen in ihr Zimmer zurück, um sich für die Reise fertigzumachen. Es war sicher gut, daß sie jetzt gleich nach New Orleans fuhr, aber vielleicht wäre es ebenso gut gewesen, wenn sie nachgegeben hätte. Sie begriff ihr eigenes Verhalten nicht. Wie kam es, daß sie Kester alles zuliebe tun konnte, ohne indessen den Takt aufzubringen, ihn richtig zu behandeln? Sie wußte es nicht.
Viertel vor zwei schloß sie die Tür ihres Zimmers hinter sich und rief Silberwald von dem Apparat auf ihrem Nachttisch aus an.
Am anderen Ende der Leitung meldete sich Klara Sheramy.
Eleanor entschuldigte sich, daß es ihr leider nicht möglich sei, zum Dinner zu kommen, aber sie müsse leider sogleich nach New Orleans fahren; es ginge um sehr wichtige Dinge. Der Zug ginge um drei Uhr.
Klara bedauerte das herzlich. Ihre Stimme klang ebenso zart, wie ihre Erscheinung zerbrechlich wirkte. Ich kann auch so sprechen, dachte Eleanor, während sie Klaras Stimme lauschte. Wenn ich nicht verrückt und aus dem Häuschen bin, kann ich auch so sprechen. O lieber Gott, hilf mir, daß ich nicht bei jeder Gelegenheit die Beherrschung verliere! »Könnte ich Kester vielleicht einen Augenblick sprechen?« sagte sie.
»Aber ja, natürlich«, entgegnete Klara, »ich rufe ihn sofort. Er sitzt im Wohnzimmer und trinkt einen Cocktail mit Neal.«
Einen Augenblick später kam Kesters Stimme durch den Draht.
»Kester«, sagte Eleanor, »es tut mir leid. Wahrhaftig, ich weiß nicht, was mich wieder getrieben hat, so heftig zu werden. Ich will es nicht wieder tun.«
Kesters Stimme war völlig ohne Groll. Entweder hatte die inzwischen vergangene Zeit oder der Cocktail ihn besänftigt.
»Es wäre wunderbar, Eleanor«, sagte er, »es paßt nicht zu dir.«
»Ich wollte es wirklich nicht, Lieber. Aber ich habe in der Nacht kaum geschlafen. Ich bin ein wenig überreizt.«
»Dann bemühe dich, ruhig zu werden, Liebling. Es ist alles in Ordnung.« Er schien wirklich zu meinen, was er sagte; seine Stimme klang ruhig wie immer.
»Kester«, sagte sie, »kann dich jemand sprechen hören?«
»Nein.«
»Dann sage mir, daß du mich noch liebst.«
»Ich liebe dich wie am ersten Tag, Herz. Hörst du das denn nicht?«
»Doch«, sagte sie, »doch, Lieber, ich höre es.« Und nun übersprudelten sich ihre Worte. Sie habe ihm das alles noch persönlich sagen wollen,
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