Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
wie Dilcy protestierte. Wie die meisten Ammen und Kinderschwestern war sie überzeugt, daß kalte Luft ihrem Liebling schaden würde. Indessen bestand Kester auf seinem Willen. Sie richtete sich auf und rief nach ihm.
Er steckte den Kopf durch die Tür: »Hallo, bist du endlich wach? Du hast aber lange geschlafen.«
Kester sah gut aus wie immer, und er lachte sie an, als hätte ihr Streitgespräch vom vergangenen Abend niemals stattgefunden. Eleanor zog an der Glocke, um Kaffee bringen zu lassen, und legte sich wieder zurück. Sie schämte sich ein wenig, weil sie zerzaust war vom Schlaf, während er frisch und elegant vor ihr stand. Er setzte sich neben sie auf den Bettrand. »Bist du spät schlafengegangen?« fragte er.
Sie nickte.
»Und – bist du mir böse?«
Sie nickte abermals, aber es war nicht viel Nachdruck in der Bewegung.
»Ich war auch böse auf dich«, sagte er. »Aber ich bin es nicht mehr.« Er ergriff ihre Hand. »Jedenfalls nicht, wenn es dir leid tut, mich angeschrien zu haben.«
»Oh, es tut mir leid«, flüsterte sie, wandte ihm den Kopf zu und küßte die Hand, die die ihre hielt. Sie lächelte schwach. »Ich fürchte, ich kann dir nicht lange böse sein. Du bist ein schlimmer Mensch, aber ich liebe dich. Es ist nicht zu ändern.«
»Ich liebe dich auch, Eleanor«, sagte er ernst.
Sie schwiegen, bis Bessy hereinkam und Eleanors Kaffee brachte. Dann richtete Eleanor sich auf und schlürfte mit großem Genuß das heiße, duftende Getränk. Nachdem sie eine Tasse geleert hatte, fühlte sie sich schon sehr viel wohler.
»Kester«, sagte sie, »ich bin jetzt ganz ruhig, mein Zorn ist verraucht, und ich werde nicht schreien. Aber wir müssen miteinander über die Schulden reden.«
Er zuckte die Achseln. »Gut, wenn du meinst, daß es sein muß. Ich weiß ziemlich genau, was mit mir los ist. Ich bin ein ziemlich wertloser, unbedeutender und nichtsnutziger Kerl. Wenn du also damit anfangen willst – –«
Ach, er war wie ein kleiner Junge, der seine kleinen Nichtsnutzigkeiten mit so reizender Unbefangenheit bekannte, daß die Mutter keine Möglichkeit sah, ihn zu bestrafen. Aber sie durfte sich jetzt dadurch nicht einfangen lassen. »Wir müssen sofort nach New Orleans fahren«, fuhr sie fort. »Wie heißt der Bankdirektor, mit dem wir sprechen müssen?«
»Mr. Robichaux.«
»Gut. Wir müssen mit ihm reden und zunächst einmal herausbekommen, was wir noch besitzen und wie die Bedingungen der Bank lauten. Dann müssen wir versuchen, eine Zahlungsfrist zu erlangen, und uns überlegen, wie wir es anfangen, die Schuld zu tilgen.«
»Es ist erstaunlich, wie du das übersiehst«, sagte Kester. »Du hast sicher recht. Es wird da mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden geben. Aber ich denke nicht, daß die Situation hoffnungslos ist. Nur hat es nicht viel Sinn, darüber zu reden, bis wir Genaueres wissen. Ich werde nach New Orleans fahren.«
»Ich komme mit.«
»Das ist reizend von dir, aber es ist nicht notwendig.«
»Ich bin überzeugt davon, daß es besser ist, und ich möchte es jedenfalls. Ich werde dir behilflich sein. Vor allem möchte ich aus erster Hand erfahren, wie und wo wir stehen.«
»Also gut, du fährst mit«, sagte Kester.
Eleanor goß sich eine neue Tasse Kaffee ein, und sie begannen friedlich miteinander über die Lage zu sprechen. Darüber wuchs ein neues Gefühl der Vertrautheit und Zusammengehörigkeit zwischen ihnen. Kester war ja kein Narr. Jetzt, nachdem seine Aufmerksamkeit einmal geweckt war, da er sah, daß seine Sorglosigkeit dabei war, ihn um Heimat und Erbe zu bringen, wuchsen seine Widerstandskräfte und zugleich seine Entschlossenheit, den Kampf aufzunehmen.
Eleanor schob das Bettzeug zurück und erhob sich. »Ich werde nicht warten, bis man hier Feuer gemacht hat«, sagte sie. »Ich werde mich anziehen und ein paar Koffer zusammenpacken. Um drei Uhr geht ein Zug nach New Orleans.«
Kester sah sie erstaunt an. »Heute können wir doch gar nicht fahren«, sagte er.
»Wieso?« sagte sie. »Natürlich müssen wir fahren.«
Sie habe offenbar vergessen, daß sie eine Einladung zum Dinner angenommen hätten, versetzte er. Sie wisse doch: In der Stadt sei heute eine Automobilausstellung. Sie hatten Neal Sheramy versprochen, auf Silberwald zu essen und anschließend ein paar Autos auszuprobieren. Eleanor protestierte heftig. Selbstverständlich hatte sie nicht mehr an Silberwald und an die Ausstellung gedacht. Das kam ja, wie die Dinge lagen, jetzt auch gar
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