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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gäste ausgezeichnet hat.«
    Ihr trockenes und hartes Gesicht zerschmolz vor Liebenswürdigkeit, und sie betrachtete das junge Mädchen, an dem sich das Wunder vollzogen hatte, mit zärtlichen Augen. Dann rief sie eilig ihren Gatten, der gerade vorbeiging.
    »Sieh doch, mein Lieber, da ist das Fräulein, das Fräulein –«
    Das in gelbem Fett schwimmende Gesicht Majestés nahm einen Ausdruck der Freude und Dankbarkeit an.
    »Wahrhaftig, gnädiges Fräulein, ich kann Ihnen nicht sagen, wie geehrt wir uns fühlen, wir werden nie vergessen, daß Ihr Herr Vater bei uns abgestiegen ist, schon das macht viele neidisch.«
    Während dieser Zeit hielt Frau Majesté die anderen Reisenden, die ausgingen, an, rief mit einer Bewegung die Familien, die sich bereits im Speisesaale niedergelassen hatten, herbei, und würde, wenn man ihr die Muße dazu gelassen hätte, die ganze Straße hereingeholt haben, um zu zeigen, daß sie da war, bei ihr, das wunderbare Mädchen, über das ganz Lourdes seit dem gestrigen Tage in Bewunderung verging. Schließlich sammelte sich eine Menge Leute an, nach und nach entstand ein ganzer Auflauf, und Frau Majesté zischelte einem jeden ins Ohr:
    »Sehen Sie, das ist sie, die junge Person, Sie wissen doch, die junge Person –«
    Plötzlich rief sie aus:
    »Ich werde Appoline aus dem Geschäft holen, Appoline muß das gnädige Fräulein sehen.«
    Aber mit würdiger Miene hielt sie nun Majesté zurück:
    »Nein, laß Appoline, sie hat schon drei Damen zu bedienen. Das gnädige Fräulein und die Herren werden Lourdes gewiß nicht verlassen, ohne einige Einkäufe zu machen. Die kleinen Andenken, die man mitnimmt, betrachtet man später mit großem Behagen. Und unsere Kunden wollen nie etwas wo anders kaufen als bei uns, in dem Geschäft, das wir mit dem Hotel vereinigt haben.«
    »Ich habe schon meine Dienste angeboten«, erklärte Frau Majesté; »Appoline wird glücklich sein, dem Fräulein das Schönste zu zeigen, was wir haben, und zu wahrhaft unglaublich billigen Preisen! Oh, entzückende Sachen, entzückende Sachen!«
    Marie fing an, ungeduldig zu werden, daß sie zurückgehalten wurde, und Pierre litt unter der erwachten, immer größer werdenden Neugier. Was Herrn von Guersaint anbetraf, so empfand er Vergnügen an dieser Popularität, an diesem Triumph seiner Tochter.
    »Gewiß werden wir einige kleine Nippsachen kaufen, als Andenken für uns und um Geschenke mitzubringen. Aber später, wenn wir zurückkehren.«
    Endlich entschlüpften sie und gingen die Avenue de la Grotte hinunter. Das Wetter war nach den Stürmen der beiden vorhergehenden Nächte wieder herrlich. Die erfrischende Morgenluft duftete in der vollen Fröhlichkeit der klaren Sonne. Eine geschäftige, lebensfreudige Menge drängte sich bereits auf den Bürgersteigen. Welches Entzücken für Marie, der alles neu, reizend, unschätzbar erschien. Am Morgen hatte sie einwilligen müssen, daß Raymonde ihr ein Paar Schuhe lieh, denn aus Aberglauben, in der Befürchtung, sie brächten ihr Unglück, hatte sie sich wohl gehütet, Schuhe in ihren Koffer zu legen. Die Schuhe saßen ihr zum Entzücken, und sie hörte mit kindlicher Freude, wie die kleinen Hacken fröhlich klapperten.
    Sie erinnerte sich nicht, je so weiße Häuser, so grüne Bäume und so fröhliche Spaziergänger gesehen zu haben. Alle ihre wunderbar zarten Sinne schienen in Festesstimmung zu sein: sie hörte Musik, roch feine Düfte und kostete die Luft mit Behagen wie eine süße Frucht. Was sie aber besonders reizend, köstlich fand, war die Freude, am Arme ihres Vaters spazierenzugehen. Noch nie war ihr das vorgekommen, seit Jahren träumte sie davon, wie von einer großen, unmöglichen Glückseligkeit, mit der man sich während einer Krankheit beschäftigt. Der Traum verwirklichte sich, ihr Herz schlug voller Fröhlichkeit. Sie schmiegte sich fest an ihren Vater und bemühte sich, recht gerade, recht schön zu gehen, um ihm Ehre zu machen. Auch er war ebenso stolz und glücklich wie sie, zeigte sie, stellte sie förmlich zur Schau und strömte über von der Freude, sie, sein Blut, sein Fleisch, seine Tochter, die von nun an in Jugend und Schönheit strahlte, bei sich zu fühlen.
    Als alle drei das Plateau de la Merlasse betraten, das von der Schar der Kerzen- und Blumenstraußhändlerinnen, die sich an die Fersen der Pilger hefteten, versperrt war, rief Herr von Guersaint:
    »Wir wollen doch sicher nicht mit leeren Händen zur Grotte gehen !«
    Pierre, der an Maries

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