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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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einst, die Küsse, deren Geschmack er stets auf den Lippen bewahrt hatte. Nie hatte er sie wieder umarmt, und heute war es seine Schwester, die ihm um den Hals fiel. Sie küßte ihn laut auf die linke Wange und auf die rechte Wange, dann hielt sie die ihrigen hin und verlangte, daß er ein Gleiches tat. Zweimal küßte er sie schließlich.
    »Auch ich, das schwöre ich Ihnen, Marie, bin glücklich, sehr glücklich.«
    Und am Ende seines Mutes, gleichzeitig von einem unendlichen Behagen und von einer unendlichen Bitterkeit durchdrungen, brach er in Schluchzen aus und weinte in seine gefalteten Hände wie ein Kind, das seine Tränen verbergen will.
    »Nun, nun, werden wir nicht allzu weich«, fuhr Schwester Hyacinthe in fröhlichem Tone fort, »der Herr Abbé würde zu stolz, wenn er glaubte, daß wir nur seinetwegen gekommen wären. Nicht wahr, Herr von Guersaint ist doch da?«
    Marie stieß einen Ruf inniger Zärtlichkeit aus.
    »Papa wird auch sehr glücklich sein.«
    Nun mußte Pierre erzählen, daß Herr von Guersaint von seinem Ausflug nach Gavarnie noch nicht zurückgekehrt war. Seine wachsende Unruhe verriet sich, obwohl er sich bemühte, die Verzögerung zu erklären und Hindernisse und unvorhergesehene Zufälle erfand. Übrigens erschreckte sich das junge Mädchen durchaus nicht, sondern fing wieder an, zu lachen, indem es sagte, ihr Vater habe nie pünktlich sein können. Und doch war sie voller Ungeduld, daß er sie gehen sehen und sie aufrecht, neu erstanden, in ihrer frisch erblühten Jugend wiederfinden sollte.
    Schwester Hyacinthe, die sich über den Balkon geneigt hatte, kehrte in das Zimmer zurück.
    »Er ist da! Er ist unten und steigt aus dem Wagen.«
    »Ach, wißt ihr«, rief Marie mit der spielenden Lebhaftigkeit eines Schulmädchens, »wir wollen ihm eine Überraschung bereiten. Jawohl, wir müssen uns verstecken, und wenn er da ist, zeigen wir uns plötzlich.«
    Und schon zog sie Schwester Hyacinthe in das Nebenzimmer.
    Fast gleich darauf trat Herr von Guersaint durch die Flurtür, die Pierre eilig geöffnet hatte, herein und sagte, ihm die Hand schüttelnd:
    »Na, da bin ich endlich! Nun, mein Freund, Sie haben wohl gar nicht mehr gewußt, was Sie davon halten sollen? Seit gestern um vier Uhr müssen Sie mich erwarten! Aber Sie können sich meine Abenteuer nicht vorstellen: erstens ist bei der Ankunft in Gavarnie ein Rad unseres Landauers gebrochen, dann hat uns gestern abend, als wir schließlich trotzdem abfuhren, ein entsetzlicher Sturm die ganze Nacht in Saint-Sauveur zurückgehalten. Ich habe kein Auge geschlossen.«
    Er unterbrach sich.
    »Und Sie, fühlen Sie sich wohl?«
    »Ich habe auch nicht schlafen können«, sagte der Priester, »einen solchen Lärm haben sie in dem Hotel gemacht.«
    Aber Herr von Guersaint fuhr schon wieder fort:
    »Trotzdem, es war doch köstlich. Man kann sich das nicht vorstellen, ich muß es Ihnen erzählen. Ich war mit drei reizenden Geistlichen zusammen. Der Abbé des Hermoises ist ganz gewiß der liebenswürdigste Mann, den ich je kennengelernt habe. Oh, haben wir gelacht, haben wir gelacht!«
    Er machte eine Pause.
    »Und meine Tochter?«
    Jetzt ertönte hinter ihm ein helles Lachen. Er wandte sich um und blieb mit offenem Munde stehen. Marie war da, und sie ging, sie zeigte ein Gesicht von entzückender Fröhlichkeit und strahlender Gesundheit. Niemals hatte er an dem Wunder gezweifelt. Er war auch durchaus nicht überrascht, denn er kam mit der Überzeugung zurück, es würde alles gut enden, er würde sie sicher geheilt wiederfinden. Aber was ihn im tiefsten Herzensgrunde rührte, war das wunderbare Schauspiel, das er noch nie gesehen hatte: daß seine Tochter so schön war in ihrem schlichten, schwarzen Kleide!
    »Mein Kind, oh, mein Kind!«
    Und als sie sich in seine Arme geworfen hatte, umarmte er sie, und sie fielen zusammen auf die Knie. Und alles erstrahlte in einem hinreißenden Erguß des Glaubens und der Liebe. Dieser zerstreute Mann mit dem Vogelgehirn, der einschlief, anstatt seine Tochter zur Grotte zu begleiten, der an dem Tage, da die Heilige Jungfrau sie heilen sollte, nach Gavarnie fuhr, strömte aus Dankbarkeit von so großer, väterlicher Zärtlichkeit über, von so begeistertem christlichen Glauben, daß er einen Augenblick erhaben erschien.
    »O Jesus, o Maria, wie danke ich euch, daß ihr mir mein Kind wiedergegeben habt! Oh, mein Kind, wir werden nie genug Atem, nie genug Seele haben, um Jesus und Maria für das große Glück zu

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