Lourdes
danken, das sie mir schenken. Oh, mein Kind, das sie neu geschaffen, mein Kind, das sie so schön gemacht haben, nimm mein Herz, um es ihnen darzubringen. Ich gehöre dir und gehöre ihnen ewig, ewig. Oh, mein teures Kind, mein angebetetes Kind!«
Auf den Knien vor dem geöffneten Fenster lagen beide und blickten mit glühenden Augen gen Himmel. Die Tochter hatte den Kopf auf die Schulter des Vaters gestützt, während er einen Arm um sie gelegt hatte. Langsame Tränen begannen über ihre verzückten Gesichter zu rollen, die in übermenschlichem Glücke lächelten, während sie zusammen nur noch wirre Worte der Dankbarkeit stammelten.
»O Jesus, habe Dank, o Heilige Mutter Jesu Christi, habe Dank! Wir lieben euch, wir beten euch an. Ihr habt das beste Blut unserer Adern verjüngt, es gehört euch, es glüht für euch. Oh, allmächtige Mutter, geliebter, göttlicher Sohn, hier ist eine Tochter, die euch segnet, ein Vater, der, von Freude übermannt, zu euren Füßen niedersinkt ...«
Diese Umarmung der beiden Wesen, die nach langen, düsteren Tagen glücklich waren, dieses Stammeln ihres Glückes, das gleichsam noch in Leiden getränkt war, diese ganze Szene war so rührend, daß Pierre von neuem in Tränen ausbrach. Aber das waren jetzt milde Tränen, die sein Herz erleichterten. Ach, die traurige Menschheit! Wie schön war es, sie ein wenig getröstet und entzückt zu sehen! Und was tat es, wenn dies große Glück weniger Sekunden auch der ewigen Täuschung entsprang! Die ganze Menschheit, die bejammernswerte, von der Liebe gerettete Menschheit, war sie nicht in diesem armen, kindischen Manne verkörpert, der plötzlich ganz erhaben erschien, weil er seine Tochter neugeboren wiederfand?
Schwester Hyacinthe stand etwas abseits und weinte ebenfalls, das Herz von einer echt menschlichen Bewegung erfüllt, wie sie sie niemals empfunden, da sie keine anderen Verwandten als den lieben Gott und die Heilige Jungfrau gekannt hatte. Und sie sprach zuerst, als der Vater und die Tochter, von tiefer Rührung erschüttert, sich endlich erhoben.
»Jetzt aber müssen wir uns beeilen, um ins Hospital zurückzukehren.«
Aber alle erhoben Einspruch. Herr von Guersaint wollte seine Tochter bei sich behalten, und Maries Augen glänzten in dem glühenden Wunsch, zu leben, zu gehen und die weite Welt zu durchstreifen.
»O nein, nein«, sagte der Vater. »Ich gebe sie Ihnen nicht zurück. Wir werden ein Töpfchen Milch trinken, denn ich komme vor Hunger fast um, dann werden wir ausgehen, Spazierengehen, ja, ja, wir beide! Sie an meinem Arm, wie ein kleines Frauchen!«
Schwester Hyacinthe lachte von neuem.
»Nun gut, ich lasse sie Ihnen und werde den Damen sagen, Sie hätten sie mir gestohlen. Aber ich mache mich aus dem Staube. Sie haben keine Ahnung von der Arbeit, die wir im Hospital haben, wenn wir zur Abreise bereit sein wollen. Alle unsere Kranken, unser ganzes Material, kurz, eine wahre Umwälzung!«
»Die Abfahrt ist also«, fragte Herr von Guersaint, der wieder in seine Zerstreutheit zurückfiel, »für den heutigen Dienstag angesetzt, wir reisen heute abend ab?«
»Gewiß, vergessen Sie es nicht. Der weiße Zug fährt um drei Uhr vierzig Minuten ab. Und wenn Sie vernünftig wären, so würden Sie das Fräulein frühzeitig zurückbringen, damit sie sich noch ein wenig ausruht.«
Marie begleitete die Schwester bis zur Tür.
»Seien Sie unbesorgt, ich werde sehr vernünftig sein. Dann will ich auch zur Grotte zurückkehren, um der Heiligen Jungfrau noch einmal zu danken.«
Als sie sich zu dreien in dem kleinen Zimmer, das in Sonnenglut getaucht war, allein befanden, überkam sie ein köstliches Gefühl. Pierre hatte das Mädchen gerufen, sie solle Milch, Schokolade, Kuchen, kurz, alle möglichen guten Sachen bringen. Und obwohl Marie bereits gegessen hatte, aß sie noch einmal. Seit dem vorigen Tage verschlang sie förmlich alles. Sie hatten den runden Tisch vor das Fenster gerückt und hielten ein wahres Festmahl in der frischen Bergluft, während die hundert Glocken von Lourdes mit lauten Schlägen den Ruhm dieses strahlenden Tages einläuteten. Sie schwatzten, sie lachten, das junge Mädchen erzählte ihrem Vater das Wunder mit hundertmal wiederholten Einzelheiten, wie sie ihr Krankenwägelchen in der Basilika gelassen und wie sie zwölf Stunden, ohne einen Finger zu rühren, geschlafen habe.
Dann wollte auch Herr von Guersaint seinen Ausflug berichten, aber er verwirrte sich und mischte das Wunder mit hinein. Alles
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