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Love Alice

Love Alice

Titel: Love Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nataly Elisabeth Savina
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dabei.
    »Hör auf, Andy, hör auf!«, keuche ich wie Tuula, als Cherry mir kurz zwischen die Beine fasst.
    Das Gefühl ist fremd und gut. Insgeheim wünsche ich mir, sie würde es wieder tun. Ich taumele auf Cherry zu, die weiter Andy spielt.
    »Lass mich dich anfassen, Tuula, komm schon«, sagt sie und löst mein Haarband.
    Ich halte inne, damit sie mir die Schleife aus dem Zopf ziehen kann.
    »Ich hab dein Haargummi geklaut, ich hab dein Haargummi geklaut!«, ruft Cherry leise und stupst mich an. »Du musst dich jetzt wehren …«, sagt sie.
    Ich stehe ganz nah bei ihr und kann den Karamellduft ihrer Haut riechen. Wie im Schlaf umarme ich sie und drücke sie fest an mich. Dann schiebe ich sie sanft von mir weg.
    »Ich muss hoch, sonst kriege ich noch mehr Ärger«, sage ich mit meiner normalen Stimme.
    Cherry geht ein paar Schritte rückwärts, ohne das Licht anzumachen. Ich höre, wie sie sich mit dem Kopf am Gelände anstößt und leise flucht.
    »Cherry? Warte!«, flüstere ich und suche ihr Gesicht im Dunkeln.
    »Was ist? Du musst hoch«, flüstert sie laut.
    Ich starre in die Dunkelheit und fasse unbewusst hinter mich, als sei dort etwas. Einen Moment lang wird es zu still, ich höre selbst ihren Atem nicht mehr. Es ist, als würden die Schatten nach uns greifen, als würde jeder Schritt nach vorne einen Sturz bedeuten.
    »Wenn du so ins Dunkel gehst, kriege ich Angst«, sage ich.
    Cherry steht eine Weile still, bis ich die Umrisse ihrer blassen Wangen erkennen kann.
    Ich höre, wie die Tür ins Schloss fällt. Ich finde den Lichtschalter links von mir und knipse das Licht an. Cherry ist fort. Mein Glas Froschlaich ist noch da.
    Mama sitzt am Küchentisch über ihre Zeitungen gebeugt. Ein paar zerknüllte Blätter liegen auf dem Boden, ihr nackter Fuß steht auf dem Phantombild eines Mannes. Darunter sind Aufnahmen von einem Waldweg und einem rosa Fahrrad im Gebüsch. Durch das offene Fenster zieht der Frühlingswind herein und flattert leicht mit den dünnen Zeitungsseiten.
    »Hallo«, sage ich und bin unschlüssig, ob ich sofort in mein Zimmer gehen oder mich zu ihr setzen sollte. Mama trommelt, ohne zu lesen, mit ihren Fingern auf den Tisch. Sie hebt den Kopf und sieht mich lange an. Ihr Haar glänzt unter dem grellen Licht der Küchenbirne. Ich nicke und möchte in mein Zimmer.
    »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, dich wiederzusehen, mein liebes Herzchen«, sagt sie scharf.
    »Jetzt habe ich eben eine Freundin. Du wolltest doch, dass ich selbständig werde«, gebe ich spitz zurück, noch bevor ich darüber nachdenken kann, was ich sage.
    »Demnächst habe ich die wichtigste Premiere meiner Karriere, Alice«, sagt Mama. »Ich hatte heute eine Kehlkopfspiegelung. Ich bin nervös, ich stehe unter Druck! Wenn ich sage, dass ich Selbständigkeit erwarte, meine ich damit unter anderem die Fähigkeit zur Vernunft und nicht pseudo-rebellisches Zuspätkommen.«
    »Ja und?«, sage ich.
    Ich wechsele mein Standbein wie eine müde Statue und stelle mich darauf ein, ein langes Lamento über die Härte ihrer Berufung zu hören. Dazu senke ich meine Augen und starre auf das Phantombild unter dem Tisch. Ich nehme mir vor, die Buchstaben der Überschrift zu zählen, wenn mir die Tränen kommen sollten. Damit ich mich auf etwas anderes konzentrieren kann.
    »Ja und?! Wozu habe ich dir ein Handy gekauft! Du tanzt hier an, wann es dir passt, angezogen wie aus der Mülltonne – was sind das überhaupt für Kleider! – und bequemst dich lediglich, ›ja und‹ zu sagen?!«, kreischt Mama.
    Ich warte ab, ob sie fertig ist. Dann sage ich leise:
    »Es tut mir leid?«
    Mama steht auf und holt Luft. »Es ist mir egal, ob es dir leidtut! Wenn du es darauf anlegst, mir das Leben schwer zu machen, dann gelingt dir das außerordentlich gut!«
    »Du bist doch nur neidisch, dass ich mal zur Abwechslung glücklich bin!«, bricht es aus mir raus.
    »Verflucht, Alice, was redest du für einen Schwachsinn! Hier in der Gegend passieren schlimme Sachen. Ich bin deine Mutter, ich mache mir Sorgen!«, sagt Mama.
    Ihre Stimme zittert. Ich sollte schleunigst die Buchstaben zählen, sonst kriegt sie mich und ich weine gleich los. Ich spähe auf die Überschrift. Mädchenmord , die Zeitschrift macht einen Knick, Täter . Ich schaffe es nicht, mich zu sammeln.
    »Du sorgst dich nur um dich. Du willst keine Tochter, sondern eine Freundin. Aber ich habe schon eine Freundin«, sage ich.
    Und schon ist es so weit. Tränen schießen

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