Love and Disaster
enttäuscht.
Ich goss die Gläser voll, reichte ihm eins davon und stieß mit meinem leicht dagegen.
„Tja, ich bin eben nicht so leicht zu beeindrucken“, sagte ich scherzhaft von oben herab.
„Das hier mag für Sie besonders sein, für mich ist es ziemlich alltäglich. Ich bin hier praktisch aufgewachsen, Rosis Hotel war unser Sommerdomizil, hierher sind wir in den Ferien geflüchtet, wenn die Stadt unerträglich heiß wurde.“
Ich trank einen Schluck von Rosis dunklem Wein.
„Für mich ist das Krollmanns etwas Besonderes, aber ich kann auf solche Dinge gut verzichten. Ich mag mich nicht verstellen nur um irgendwo dazuzugehören. Orte wie das Krollmanns sind einfach nicht meine.“
„Sind Sie immer so gnadenlos ehrlich?“, fragte er.
„Meistens“, sagte ich und schämte mich ein bisschen. So ganz gnadenlos ehrlich war ich schließlich nicht zu ihm. Man musste abwarten, wie sich die Sache mit ihm entwickelte. Vielleicht erzählte ich ihm irgendwann von Mary, vielleicht musste ich das ja aber auch gar nicht.
„Ich werde morgen Ihren Bruder besuchen“, ich steuerte das Gespräch lieber in sichere Gewässer. „Er hat mir erzählt, dass er Musik macht. Was hört er denn gern, dann bringe ich ihm eine CD mit.“
„Musik hat er das genannt? Unerträglicher Krach trifft es wohl eher. Benni sollte sich lieber um seinen lausigen Notendurchschnitt kümmern. “
„Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber Sie klingen wie mein Großvater in seinen besten Zeiten“, ich musste lachen. „So hat er früher immer meine Schwester ausgeschimpft. Sie hat nie dagesessen und gelernt, ist ständig ausgebüxt, um Musik zu machen und hat das Abi am Ende trotzdem mit einem guten Abschluss geschafft.“
Er grinste, lehnte sich zurück und verschränkte die Hände im Nacken.
„Und Sie, sind Sie auch ausgebüxt?“
„Ich?“ Jetzt traf er meinen wunden Punkt. Ziemlich gestelzt sagte ich:
„Carolin erledigt die ihr gestellten Aufgaben stets zuverlässig und in ausgezeichneter Qualität.“ Ich nahm mein Weinglas und drehte es zwischen den Händen hin und her.
„Deshalb bin ich wahrscheinlich auch Lehrerin geworden. Ich war die Brave, die, die nie aufgemuckt hat, die immer fleißig war und auf die man sich immer verlassen konnte. Kurzum, ich war eine sterbenslangweilige Streberin.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, er griff nach meiner Hand und strich mir mit dem Daumen über den Handrücken.
Ich war sterbenslangweilig, denn ich empfand nichts dabei. Mary brauchte sich keine Sorgen um mich zu machen, ich würde garantiert nicht mit ihm im Bett landen.
Rosi kam mit dem Essen und ich zog schnell meine Hand weg, ich hatte keine Lust auf ihre anzüglichen Bemerkungen. Sie servierte eine Schüssel mit Rippchen für mindestens fünf Personen, dazu eine Terrine ihrer exzellenten Soße, einen Berg Sauerkraut und Kartoffelbrei.
„Lasst es euch gut schmecken“, sagte sie. Dann zwinkerte sie Robert verstohlen zu, knuffte mich in den Arm, wuschelte mir durch die Haare und verschwand wieder.
„Na, ist das exotisch genug für Sie?“, frozzelte ich und versuchte verstohlen, meine Haare wieder in Ordnung zu bringen. Ich konnte es nicht lassen und stichelte weiter:
„Rippchen mit Sauerkraut gab es früher bei uns nur am Sonntag, oder als Festessen.“
Er packte sich den Teller voll, stopfte sich ein großes Stück Fleisch in den Mund, kaute ausgiebig und verdrehte die Augen vor Wohlbehagen.
„Jetzt kommen Sie mal wieder runter von Ihrem hohen Ross.“ Auf seiner Gabel lag jetzt ein Berg Kartoffelbrei, er packte Sauerkraut obendrauf. Der Mann fraß wie ein Scheunendrescher, ob er das bei Krollmanns auch so gemacht hätte?
Zwischen zwei Bissen sagte er:
„Ich wurde auch nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Mein Vater hat in Wolfsburg bei VW am Fließband gearbeitet. Er ist bei einem Autounfall gestorben, als ich fünfzehn war. Meine Mutter hat dann versucht, uns mit einem Kurzwarenladen über Wasser zu halten. Ich stamme also aus ganz kleinen Verhältnissen.“
„Sind Sie deswegen so ausgetickt im Krankenhaus? Wegen Ihres Vaters?“
Er überlegte kurz.
„Kann sein“, antwortete er. „Ich weiß es nicht. Mein Vater war ein ziemlich unangenehmer Kerl, ein zäher Hund, mit dem war nicht zu spaßen. Für meine Mutter war es einfacher ohne ihn.“
„Und für Sie?“, fragte ich.
Er sah mich an und blockte ab.
„Kein gutes Thema, ich spreche nicht über meinen Vater.“
Wir aßen eine Weile schweigend, ich war
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