Love and Disaster
ausgerechnet diesen Abend für ein lauschiges Essen zu zweit aussuchen? Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl herum und war dankbar für die übergroße Speisekarte, die mich fast komplett verdeckte.
Clemens und Arabella steuerten zielsicher in meine Richtung und wurden einige Tische weiter platziert. Na fantastisch. Ich überlegte, ob ich mich, ohne Aufsehen zu erregen auf den gegenüberstehenden Stuhl setzen konnte, allerdings hätte ich dazu die Speisekarte vom Gesicht nehmen, aufstehen und um meinen Tisch herumgehen müssen. Das konnte ich vergessen.
Wenigstens saß Clemens mit dem Rücken zu mir und seine Herzallerliebste erkannte mich, wenn ich viel Glück hatte, nicht wieder.
Während ich noch grübelte, was ich tun solle und hinter der Speisekarte immer kleiner wurde, erschien endlich meine Verabredung. Robert Dresen war heute regelrecht salopp gekleidet, mit heller Hose und marineblauem Jackett, die Krawatte fehlte gänzlich. Er nickte hierhin, winkte dorthin, man war hier demnach bekannt wie ein bunter Hund.
Kurz bevor er bei mir ankam, sprang mein Ex- Mann freudestrahlend auf, lief auf ihn zu und … umarmte ihn? Ich wusste gar nicht, dass Clemens neuerdings der überschwängliche Typ war. Die beiden redeten und gestikulierten und tätschelten sich gegenseitig die Schultern. Dann beugte sich Dresen zu Arabella und küsste sie auf die Wange. Oh mein Gott, man kannte sich, man war offensichtlich befreundet. Ehe ich es mich versah, steuerte Robert Dresen mit Clemens im Schlepptau auf mich zu.
„Guten Abend Frau Brendel, es tut mir furchtbar leid, dass ich mich verspätet habe. Darf ich Ihnen meinen Freund Clemens Brendel vorstellen.“
An diesem Punkt war Clemens Gesicht schon zu Stein erstarrt und auch Robert Dresen stutzte merklich. Dann fiel bei ihm langsam, aber sicher der Groschen.
Clemens wollte sich keine Blöße geben. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben zu einem mühsamen Lächeln.
„Guten Abend Carolin“, sagte er förmlich und gab mir die Hand.
„Clemens“, erwiderte ich, stand auf, schüttelte seine Hand und wünschte mich meilenweit weg.
„Du siehst gut aus“, stellte er fest.
Ich hatte keine Lust auf Small Talk, aber ich war gut erzogen.
„Vielen Dank, du auch“, antwortete ich, obwohl es nicht stimmte. Ich hatte ihn seit über einem Jahr nicht mehr gesehen und er hatte sich in dieser Zeit nicht zu seinem Vorteil verändert. Clemens war jetzt einundvierzig, allerdings sah er zehn Jahre älter aus. Um seine Augen gruben sich tiefe Falten, er wirkte abgehärmt und grau. War der Job zu hart, oder stresste ihn die liebe Arabella zu sehr? Aber eigentlich wollte ich das gar nicht wissen. Eigentlich wollte ich jetzt gern gehen.
Robert Dresen hatte den sechsten Sinn. Er wechselte noch zwei, drei belanglose Sätze mit Clemens, verabschiedete sich von ihm und sah mich dann fragend an. Als ich nickte, hakte er mich unter und wir gingen.
Draußen stand er vor mir wie ein bedröppelter, kleiner Junge.
„Mir scheint, ich muss mich ständig bei Ihnen entschuldigen. Ich trete von einem Fettnäpfchen ins nächste.“
Ich verdrehte vielsagend die Augen und nickte, dann fingen wir wie auf Kommando an, zu lachen.
„Und jetzt?“, fragte ich, als wir uns wieder beruhigt haben. Er überlegte nur kurz.
„Mögen Sie gute Hausmannskost?“
„Sehr gern sogar“, antwortete ich.
„Dann kommen Sie.“
Er nahm meinen Arm und führte mich zu seinem Wagen. Mein Blick verschleierte sich sehnsuchtsvoll und ich bekam feuchte Hände, denn dieser Mann besaß tatsächlich einen schwarzen Porsche. Ich verliebte mich mal wieder auf den ersten Blick, nicht in den Mann, aber in das Auto.
Meine Zurechnungsfähigkeit verschwindet leider, sobald ich einen PS- starken Wagen unter dem Hintern habe. Ja, ich fahre gern schnell, deswegen hatte ich mir ja jetzt selbst so einen Flitzer zugelegt. Allerdings war mein kleines Wägelchen nur ein kläglicher Abklatsch gegen dieses Prachtstück hier.
„Was für ein wunderschöner Wagen“, sagte ich begeistert. Ich verschlang das Auto mit meinen Augen, strich verstohlen ganz zärtlich über den glänzenden Lack und wurde dabei von Robert Dresen amüsiert beobachtet.
„Vielen Dank, das finde ich auch immer wieder“, erwiderte er, öffnete mir die Beifahrertür und ich versank in dunkelrotem, butterweichem Leder.
Robert lenkte den Wagen lässig und sicher mit einer Hand aus der Stadt hinaus. Die Strecke kannte ich, sehr gut sogar, ich war sie selbst schon unzählige Male
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