Love and Disaster
Jahreszeiten wieder, sah weiße, stille Winterlandschaften in kühles Sonnenlicht getaucht, den knospenden Frühling, zartgrün mit rosigen Apfelblüten, Blumenfelder im gleißenden Sommersonnenschein, die flirrende Farbenpracht des Herbstes kurz vor Beginn des neuen Winters.
Ich drehte mich langsam um mich selbst, der Künstler hatte die verschiedenen Stimmungen der Jahreszeiten wunderbar eingefangen, ich konnte mich kaum von den Bildern losreißen.
„Diese Bilder sind wunderschön, Harro“, sagte ich begeistert. „Sieh dir bloß das hier an, das würde ich sofort mitnehmen.“
Ich hatte mich auf den ersten Blick in die ‚Mohnblumenwiese‘ verliebt. Vor mir lag eine Wiese mit zahllosen Mohnblüten, die bis zum Horizont zu reichen schien, knorrige, uralte Olivenbäume und niedriges Buschwerk luden zum Verweilen im Schatten ein. In der Ferne erahnte man ein Haus aus rohem Feldstein unter den Bäumen. Über dem Bild lag ein matter Schleier, welcher den Ort unwirklich, surreal machte. Ich meinte, die trockene Hitze des südlichen Hochsommers atmen zu können und verspürte in mir den Wunsch nach Ruhe und Frieden, Gelassenheit und Sommer ohne Ende. Ich konnte meine Blicke kaum davon losreißen.
„Das kannst du dir nicht leisten, Caro“, Harro zog bedauernd die Schultern nach oben und grinste. „Sonnenfeld ist gefragt und sehr gut im Geschäft, ich begreife bis heute nicht, wieso er sich ausgerechnet für meine Galerie entschieden hat. Normalerweise stellt er nicht bei so kleinen Fischen wie mir aus. Für mich ist das natürlich super, ein Künstler wie er wird mein Geschäft irrsinnig aufwerten. Dein Lieblingsbild hier wird mit Sicherheit für eine fünfstellige Summe weggehen.“
Ich schnappte nach Luft und löste mich voll Bedauern von dem Bild.
Harro wippte nervös auf den Fußballen.
„Caro Schätzchen, ich hab noch jede Menge zu tun, du kommst allein klar?“
„Ja sicher, ich sehe mich noch ein wenig um, ich rufe dich, wenn ich dich brauche.“
Ich ging weiter in einen der Nebenräume, in dem man Bilder mit unterschiedlichen Themen aufgehängt hatte, sah mich um und stutzte.
Gleich neben der Tür hing eine Bleistiftzeichnung mit der Büste einer schlafenden, jungen Frau. Ihr Kopf lag inmitten eines Teppichs aus wirrem Haar entspannt auf einem Kissen und man sah den Ansatz einer Decke, die sie über ihre Brüste gezogen hatte.
Ich kniff die Augen zusammen und sah noch einmal hin. Das dort hätte ich sein können, die Frau sah mir zum Verwechseln ähnlich. Ich trat näher heran und las das Schild neben der Zeichnung, der Text darauf zog mir im wahrsten Sinne des Wortes die Füße weg. Langsam und sehr vorsichtig ging ich zu der Lederbank, die in der Mitte des Raumes stand, setzte mich und starrte abwechselnd das Bild und den Text an.
‚Carolin, 1. Januar 2000‘ stand da und ‚unverkäufliches Ausstellungsstück‘.
Ich zog die Beine auf die Bank und verschränkte die Arme auf den Knien, legte das Kinn darauf und staunte die Zeichnung an.
Jan also, Jan Sonnenfeld, nach so vielen Jahren hatte er endlich einen Namen. Mir lief eine Träne die Wange hinunter, ich wischte sie weg und versuchte, nachzudenken.
Er hatte mich gezeichnet in dieser Nacht und ich hatte nichts davon bemerkt. Zwölf Jahre waren inzwischen vergangen und er stellte ausgerechnet hier dieses Bild aus. Unverkäufliches Stück … was hatte das zu bedeuten?
Ich würde ihn wiedersehen, der Gedanke schlug ein wie ein Blitz in mein Hirn. Spätestens morgen würde ich ihm gegenüberstehen. Ich wurde panisch. Wie sollte ich mich bloß verhalten? Würde er mich überhaupt wiedererkennen? Wollte er mich überhaupt wiedersehen, mich, eine flüchtige Bekanntschaft für eine Nacht?
Im Empfangsraum ertönte der Türgong und ich hörte Stimmen. Ich stand auf, aber meine Beine waren immer noch butterweich, also ließ ich mich langsam wieder auf die Bank sinken.
Draußen hörte ich Harro meinen Namen sagen, Schritte kamen in meine Richtung und ich wusste instinktiv, dass ich mich nicht länger mit Spekulationen aufhalten musste.
Jan Sonnenfeld kam herein, sah mich und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Harro, der gleich hinter ihm herkam, prallte fast auf ihn.
Ich hätte ihn überall wiedererkannt, seine Augen, die aufleuchteten, als auch er mich erkannte und die Vertrautheit, die mich umfing, als hätte ich ihn erst gestern zum letzten Mal gesehen. Er löste sich aus der Tür und kam zu mir.
Ich hatte ein Deja vu, ich sah vor meinem inneren
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