Love and Disaster
Freundin. Sicher, Sandra war nicht der Typ, der ein wildes ausschweifendes Leben führte, aber sie war immer aufgeschlossen und neugierig gewesen. In letzter Zeit jedoch vergrub sie sich nur noch in ihrer Wohnung und ging fast überhaupt nicht mehr aus. Bei einer jungen Frau von neunundzwanzig Jahren konnte man das nicht als Normalzustand betrachten. Einen Mann hatte es seit der Zeit mit Martin auch nicht mehr gegeben und die war mittlerweile schon drei Jahre her.
Martin Schönau war ein aufstrebender junger Arzt und Sandras große Liebe. Er hatte spontan von seinem ersten Gehalt einen wundervollen Verlobungsring gekauft und ihr einen Heiratsantrag gemacht. Alles schien in bester Ordnung zu sein, Sandra begann, die Hochzeit zu organisieren und sich nach einer größeren Wohnung umzusehen.
Doch plötzlich wurde Martin immer öfter mit einer Kollegin gesehen, einer auffallenden Rotblonden. Sandra wanderte langsam, aber zielsicher aufs Nebengleis und wurde dort einfach abgestellt.
Damals begannen ihre Selbstzweifel, die sie mit der Zeit immer mehr zermürbten.
Gut, sie war keine klassische Schönheit, doch das machte sie durch ihre ruhige, sympathische Ausstrahlung wieder wett. Ihr hochgewachsener schlanker Körper besaß eine Menge natürlicher Anmut, dichtes braunes Haar und große, dunkle Augen taten ein Übriges. Und diese Augen konnten Funken sprühen und ein ungeahntes Temperament offenbaren.
Doch das Bewusstsein all dieser Dinge wurde durch die Trennung von Martin Schönau ausgelöscht und Sandra benahm sich immer mehr wie eine unsichtbare graue Maus.
Sie machte einen großen Bogen um alle Männer, die Interesse an ihr zeigten und war auf dem besten Weg, den Rest ihres Lebens allein zu verbringen.
Paula konnte das nicht länger mit ansehen.
„Irgendwie werde ich Abhilfe schaffen“, dachte sie. „Mir fällt schon etwas ein.“
Sandra stand unschlüssig vor ihrem Kleiderschrank und überlegte, was sie anziehen sollte. Sie war mit einem Geschäftsmann zum Essen verabredet, um ihm einige luxuriöse Villen am Stadtrand zu offerieren.
Sie hasste diese Geschäftsessen. Manche Kunden waren furchtbar aufdringlich und betrachteten sie als eine Art Zugabe zum Geschäftsabschluss. Sie hatte mehr als einmal eindeutige Aufforderungen bekommen, ihre Provision durch „kleine Gefälligkeiten“ aufzustocken.
Als sie sich einmal darüber bei ihrem Chef beschwerte, meinte dieser nur anzüglich, dass so etwas nun einmal dazu gehöre. Sie habe alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um einen Deal erfolgreich zu beenden. Sandra bat Herrn Jäger daraufhin nie wieder um Unterstützung.
Sie zog einen dunkelgrauen Hosenanzug und eine weiße Seidenbluse aus dem Schrank, legte alles aufs Bett und war gerade fertig mit Anziehen, als es klingelte. Sie öffnete und Paula stürzte aufgeregt in ihre Wohnung. Dabei schwenkte sie triumphierend eine bunte Zeitschrift und einen Brief über ihrem Kopf.
„Du kannst dir nicht vorstellen, was passiert ist“, rief sie atemlos und fing an, zu kichern.
„Beruhige dich doch erst einmal. Du benimmst dich ja schlimmer als ein Teenager“, meinte Sandra kopfschüttelnd. „Was um Himmels Willen ist denn passiert?“
„Ich habe etwas vollkommen Verrücktes gemacht“, sagte Paula lachend und drückte Sandra die Zeitschrift in die Hand. „Ich habe bei einem Preisausschreiben in einer dieser Frauenzeitschriften mitgemacht und den Hauptpreis gewonnen!“
„Den Hauptpreis?“ fragte Sandra. „So wie du lachst, muss der Gewinn ja etwas besonders Scheußliches sein.“
„Wie man es nimmt. Hier, lies mal den Artikel über Christian Steinmann, diesen Schauspieler. Meine Assistentinnen sind alle unheimlich verknallt in den Typen und wir haben aus Jux an einem Preisausschreiben in der ‚Stars & Fashion’ über ihn teilgenommen. Und stell dir vor, ausgerechnet ich bekomme den Hauptgewinn!“
„Also, nun sag schon was es ist, darfst du dir jetzt für alle Zeiten seine Filme kostenlos im Kino ansehen? Bekommst du die Hauptrolle in seinem nächsten Film?“
Vera schüttelte den Kopf und kicherte schon wieder.
„Ja, das wäre was, ich als Schauspielerin.“
Sie legte sich theatralisch eine Hand auf die Stirn, mit der anderen griff sie sich ans Herz und ließ sich, einen Ohnmachtsanfall mimend, auf Sandras Sofa fallen.
„Absolut perfekt“, stellte Sandra fest. „Dafür bekommst du mindestens einen Oscar, wenn nicht sogar zwei.“
„Ich werde die nächste Angelina Jolie, glaub mir
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