Love at Second Sight - Liebe auf den zweiten Blick
folgen ihm: ein König und sein Gefolge. Draußen steht ein schwarzer Van bereit. Die Fenster sind getönt. Ich vermute, dass die anderen Boys schon im Auto sitzen. Fehlanzeige. Nur ein dicker Mann mit Halbglatze grinst uns an.
“He doesn’t look like a chauffeur”, meckert Ellen-Jo. “He isn’t even wearing a uniform ...”
Langsam wird ihr Benehmen unerträglich. Bei nächster Gelegenheit werde ich ihr die passenden Worte zuflüstern.
“Why should Brian wear a uniform? The Electric Boys aren’t a military band”, kontert Rico.
Ellen-Jo hält endlich ihren Mund. Mike nimmt neben dem Fahrer Platz. Ellen-Jo und Rico machen es sich auf der Rückbank bequem. Ich sitze in der Mitte, allein, gnadenlos allein. Wen wünschte ich neben mir? Ganz bestimmt nicht Ellen-Jo! Mike oder Rico? Ich bin mir nur sicher, dass ich mir eben nicht sicher bin. Rico erweckt nicht gerade den Eindruck, ich könnte ihm etwas bedeuten. Genau genommen beachtet er mich gar nicht. Ich möchte mich umdrehen und ihm zurufen: “It’s me, Amelie, your evening star ...!”
Was würde es bringen? Vermutlich nichts. Die seltsame Achterbahnfahrt der Botenstoffe in meinem Kopf nimmt einfach kein Ende, dafür die Reise im Van. Wir halten vor einem schicken Hotel in der Frankfurter City, fahren aber gleich wieder weiter: Der Eingang wird von Fans umlagert, knapp fünfzig würde ich sagen. Dasselbe Spiel wie in Darmstadt. Ein paar ausgeflippte Mädchen schlüpfen unter dem rot-weißen Plastikband durch, das die Grenze markiert. Dahinter warten Polizisten, die keine Mühe haben, die Mädchen wieder an den ihnen zustehenden Platz zu schieben.
Brian umkurvt das Hotel und steuert die Tiefgarage an. Ein Fahrstuhl bringt uns in die siebte Etage und ins Restaurant, wo John, Pete, Tony und der schwitzende Mann mit dem Strohhut schon guter Stimmung sind. Letzterer heißt Phil und ist der Manager der Gruppe. Wir setzen uns dazu. Zwei Kellner umschwirren uns. Rico bestellt Orangensaft. Ich schließe mich an.
“We should drink champagne”, meint Ellen-Jo.
“You can order what you like”, sagt Rico und wirkt dabei kühl wie ein nordischer Herbst. Dann fiept sein Handy. Plötzlich ist er völlig verändert. Seine Gesichtszüge entspannen sich. Er lacht. Die Augen sprühen vor Freude.
“Hi, great to hear your voice. Are you okay? Wait a minute – I’ll call you back from my room.” Er haucht einen Kuss ins Handy. “Excuse me. I’m just going to make a phone call. I won’t be long.”
“Do you have to say good night to your mother?” Ellen-Jo kann es einfach nicht lassen. Am liebsten würde ich ihr ein Pflaster auf den Mund kleben. Ich blättere die Speisekarte vor und zurück. Das Essen scheint nichts zu kosten, denn es sind keine Preise angegeben. Ich entscheide mich für einen Salat. Ellen-Jo rückt Pete auf die Pelle.
“Your solo was absolutely brilliant. You are the world’s greatest living drummer.”
“Thanks, that’s very nice of you”, antwortet Pete wie ein wohlerzogener Schuljunge.
Der Manager kaut an einem kalten Zigarrenstummel und verabschiedet sich auch bald.
“Is Rico coming back?”, frage ich Mike nach einer Weile.
“It could take some time”, antwortet er. “He can talk for hours when he calls ...”
John räuspert sich ungehalten und wirft Mike einen bösen Blick zu. War Mike gerade dabei, etwas auszuplaudern, was niemand wissen darf? Ricos großes Geheimnis?
Tony spielt auch während des Essens einhändig mit seinem Gameboy. John schneidet ab und zu Grimassen. Und Pete unterhält sich inzwischen sehr angeregt mit Ellen-Jo.
“I’m bored”, sagt Tony auf einmal. “I don’t want to be bored. Anybody got any idea what we can do about it?”
“Go dancing!”, ruft Ellen-Jo und klatscht in die Hände. “In Frankfurt there are sure to be some really good clubs.”
“Great idea!”, brüllt John und klatscht ebenfalls. Er winkt einem Kellner. “Can you → recommend a really cool club?”
Der Mann schiebt die Unterlippe über die Oberlippe, zupft an seinem Ohrläppchen und nennt dann drei Namen: “Flyer, → Nightmare und Casablanca ...”
“Many thanks.” John steckt dem Mann einen Geldschein zu, zwanzig Euro, wenn ich mich nicht täusche. So übel scheint es den Electric Boys also noch nicht zu gehen.
“ → It’s up to you . Where should we go?” John wirft eine Serviette in Richtung Ellen-Jo.
“Nightmare, I want to go to Nightmare. I like the name”, sagt Ellen-Jo.
“And where do you
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