Love is a Miracle
mal hier unten bist und nicht nur in deinem Zimmer oben«, sagte Mom, als sie ins Wohnzimmer kam. Ich saß auf der Couch und schaute eine Nachrichtensendung an, in der zwei Reporter über die Steuerpolitik diskutierten und sich gegenseitig niederschrien. Es war wie in einer Talkshow, nur mit dem Unterschied, dass die Typen alle Krawatten trugen. »Willst du was essen?«
»Nein. Ich bin noch satt vom Mittagessen.«
»Was gab’s denn?« Mom setzte sich neben mich.
»Schinken. Hat Margaret gemacht. Also nicht den Schinken. Die Sandwiches.«
»Margaret? Die von der Kirche?«
»Ja.«
»Du hast … bei ihr zu Mittag gegessen? In ihrem Haus?«
Ich nickte.
»Gut. Das ist … war’s nett bei ihr?«
»Ja, klar. Warst du schon mal bei ihr?« Ich kannte natürlich die Antwort. Einer der Typen im Fernsehen brüllte jetzt so laut, dass sein Gesicht knallrot wurde.
»Nein«, sagte Mom. Ihre Stimme war auf einmalganz hoch und klang irgendwie erstickt. »Wie ist es denn so?«
»Klein. Nur ein Bad. Und ein Schlafzimmer.«
Mom stand von der Couch auf. »Ich hab deinen Wagen gar nicht in der Einfahrt gesehen. Ist er kaputt?«
»Nein, der steht noch auf dem Parkplatz vor der Schule.«
»Gut, dann ruf ich deinen Vater an und sag ihm, dass er mal danach sehen soll«, verkündete sie und ging in die Küche. Ich hätte ihr Gespräch mit Dad belauschen können, wenn ich den Fernseher leiser gestellt hätte, aber ich konnte mir auch so denken, was sie ihm erzählte.
Zehn Minuten später kam Dad nach Hause. Er blieb einen Augenblick in der Küche und sagte etwas zu Mom, das ich nicht hören wollte, dann kam er ins Wohnzimmer. »Was ist mit dem Auto passiert?«
»Nichts. Ich bin einfach nur nicht nach Hause gefahren. Kannst du mich morgen in die Schule bringen?«
»Ja, sicher. Aber ich möchte es mir trotzdem mal ansehen, nur für alle Fälle. Und … also, deine Mutter sagt … sie hat mir gesagt, dass du bei Margaret zum Mittagessen warst.«
Ich nickte. »Ich bin ihr in der Kirche begegnet.«
»In der Kirche?«
»Ja.«
»Was hast du da gemacht?«
Ich zuckte die Schultern.
Er räusperte sich und küsste mich auf den Kopf.»Beten ist nichts, wofür man sich genieren muss, Meggie. Und was Margaret angeht – ich glaube, sie ist sehr einsam, seit Rose gestorben ist, und es hat ihr bestimmt gutgetan, mit dir zu reden. Es war nett von dir, dass du mit ihr gegangen bist. Und wenn du sie wieder mal besuchen willst, hab ich nichts dagegen.«
»George!«, rief Mom aus der Küche herüber.
»Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst«, rief Dad zurück. »Meggie hat bei Margaret gegessen, bei einem Mitglied unserer Kirche. Bei Margaret, die wir seit Jahren kennen und die immer nur nett zu uns war, selbst damals, als wir geheiratet haben.« Er wandte sich wieder an mich. »Was hast du denn gegessen?«
»Deviled Ham.«
Dad schnitt eine Grimasse. Er hasst Schinken. »Also, dann war es wirklich eine gute Tat von dir.«
»George!«, rief Mom wieder, und Dad drückte mir die Schulter. »Ich lass dich jetzt weiter fernsehen.«
Als er in die Küche zurückging, stellte ich den Ton leiser.
»Und das war’s jetzt?«, hörte ich Mom sagen. »Mehr hast du nicht dazu zu sagen?«
»Ich weiß nicht, was du willst. Margaret hat ihr was zu essen gemacht. Wo ist das Problem?«
»Ich weiß schon, dass du Margaret magst. Aber ich … hast du vergessen, was in der Bibel steht?«
»Nein, hab ich nicht«, erwiderte Dad mit müder Stimme. »Und da steht auch: ›Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.‹ Mag sein, dass du das anderssiehst, Laura, aber ich werfe jedenfalls nicht mit Steinen.«
»George …«
»Hast du das Gesicht von deinem Vater vergessen, als du ihm gesagt hast, dass du schwanger bist, und ich ihm gesagt habe, dass wir heiraten wollen? Ich nicht. Und auch nicht das Schweigen deiner Eltern, als Meggie auf die Welt kam, oder als David beinahe … als man uns sagte, dass er es nicht schaffen würde? Nicht mal nach dem Flugzeugabsturz haben sie sich gemeldet. In der ganzen Zeit haben sie nie ein Wort zu uns gesagt, und deine Briefe kommen alle ungeöffnet zurück. Wir wissen, was es heißt, von anderen verurteilt zu werden, noch dazu von der eigenen Familie, und ich werde das niemandem antun. Das liegt allein in Gottes Hand.«
Mom schniefte zweimal, dann sagte sie wieder »George«, aber diesmal mit brüchiger Stimme. Ich drehte den Fernseher wieder lauter.
Am Abend kam sie vor dem Schlafengehen in mein Zimmer, gab
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