Love is a Miracle
im Unterricht erschienen. Also mussten sie zu Hause anrufen.
»Alles okay«, sagte ich und wartete ab, was sie darauf antworten würde.
»Ja, natürlich, das weiß ich doch«, sagte sie – natürlich, natürlich! – und strahlte mich an. »Willst du was zu essen?«
»Ja, klar«, sagte ich und aß Chocolate-Chips-Kekse, während Mom das Hähnchen vollends auftaute und dann in den Ofen stellte. Sie fragte mich nichts weiter und ihre Hände hörten nicht auf zu zittern. Ich schlang einen Keks nach dem anderen hinunter, fühlte mich aber trotzdem innerlich hohl, und als ich die Treppe hinaufging und mich hinlegte, wusste ich, dass ich nicht die Augen schließen durfte.
Kapitel 16
Nach dem Anruf wehte ein anderer Wind in der Schule.
Meine Lehrer verlangten jetzt, dass ich in der Stunde aufpasste, und fragten mich, warum ich meine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Sie sagten mir, dass ich nicht in die Luft starren, sondern mich konzentrieren sollte.
Aber ich passte nicht auf. Und ich lernte auch nicht. Ich starrte auf die leeren Plätze in meinen Stunden und dort saßen Carl, Sandra, Henry oder Walter. Unweigerlich waren sie da und warteten auf mich. Sie konnten ja sonst nirgends hin. Das hatten sie mir nie gesagt, aber ich wusste es auch so. Dass sie da waren, reichte.
War mehr als genug.
Die Schonfrist bei meinen Tests war vorbei. Jetzt bekam ich meine Arbeiten strotzend vor roten Anmerkungen zurück. Und niemand nickte mehr verständnisvoll, wenn ich wieder mit leeren Händen dasaß. Stattdessen kassierte ich schlechte Noten und missbilligende Blicke. Meine Beratungslehrerin verfolgte mich in den Gängen, bekniete mich, zumindest einen Teil meines Zusatzprojekts abzuliefern und einen Zeitplan für den Rest zu erstellen. Ich musste zu ihr ins Büro, weil sie mit mir reden wollte. Ihr sei aufgefallen, dass ich oft geistesabwesend sei. Und die Lehrer machten sich Sorgen um mich.
Meine Eltern erwähnte sie nicht.
Zu Hause blieb alles beim Alten. Ich war das Wunder, alles war gut, und sonntags saß ich zwischen meinen Eltern in der Kirche, in ihre Liebe eingezwängt, bis ich am liebsten geschrien hätte.
Aber ich schrie nicht. Ich saß da, stand auf, wenn die anderen aufstanden, setzte mich, wenn die anderen sich setzten, ein gezwungenes Lächeln im Gesicht, die Hände zu Fäusten geballt und die Fingernägel in die Handflächen gebohrt. Ich sah, wie Margaret zu mir herschaute, tat aber so, als sähe ich sie nicht.
Am nächsten Tag klagte David, dass ihm nicht gut sei. Mom schickte ihn trotzdem in die Schule und am Abend nieste und hustete er die ganze Zeit.
»Mir ist kalt«, sagte er, als wir unseren Hackbraten aßen, und nieste gleich zweimal hintereinander.
Dad schaute ihn besorgt an, Mom auch, und als ich sah, wie Davids Gesicht sich unter ihren Blicken aufhellte, krampfte sich mein Herz zusammen.
»Du darfst vom Tisch aufstehen, wenn du willst, und dir was im Fernsehen anschauen. Wenn du krank bist, will ich nicht, dass du Meggie ansteckst«, sagte Mom. Dad nickte und beide schauten mich an. Mich, nicht ihn.
David stand auf und knallte seinen leeren Stuhl gegen den Tisch, dass es nur so ratterte. Niemand sagte etwas, bis er das Zimmer verlassen hatte.
Dann entschuldigte ich mich und stand ebenfalls auf, ging zum Wohnzimmer hinüber und beobachtete Davidvon der Tür aus. Er fläzte auf dem Sofa und schaute zu, wie ein paar Cops einen alten Mann verhafteten, der Auto fuhr, obwohl ihm der Führerschein abgenommen worden war. Ich wollte etwas zu ihm sagen, aber David drehte den Fernseher lauter, sobald er mich sah.
»David«, fing ich an und hielt inne, weil ich nicht wusste, was ich sonst noch sagen sollte. Er schaute zu mir her, drehte den Fernseher noch lauter und hustete dabei. Mom und Dad kamen trotzdem nicht herein, um nach ihm zu sehen.
Ja, zu Hause blieb alles beim Alten, aber in der Schule geriet ich immer mehr in die Schusslinie.
Meine Beratungslehrerin rief Mom und Dad an, um mit ihnen über mein Zusatzprojekt zu reden, beziehungsweise über die Ablieferungstermine, die ich alle versäumt hatte. Meine Eltern verloren kein Wort darüber. Ich erfuhr es von Coach Henson.
Er kam im Gang zu mir, als ich gerade die Schule verlassen wollte und einen Bogen um Carl machte, der in einer Ecke stand und sich mit der Faust gegen die Brust schlug.
»Meggie?«
Ich fuhr herum, als ich die Stimme des Coachs hörte. Er hatte steile Unmutsfalten auf der Stirn und einen verkniffenen Mund. Ich zwang mich
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