Love me, angel (Junge LIebe ) (German Edition)

Weile draußen bleibe, vergisst der mich vielleicht und ...
    Also schlendere ich zum Aufenthaltsraum und lasse mich in einen der Sessel fallen. In der ersten Stunde ist natürlich noch niemand da, also kann ich mir einen Moment Erholung gönnen von den ganzen tausend Gedanken. Versonnen schaue ich mir die in frischem Grün leuchtenden Blätter an, die vor dem Fenster im Sommerwind rauschen. Montag, verdammt. Welcher Arsch hat sich das nur so ausgedacht? Jetzt draußen irgendwo auf 'ner Wiese liegen und einfach nix tun oder ein Buch lesen ...
    Plötzlich räuspert sich jemand neben mir und ich fahre auf. Es ist Andy, der mich distanziert anschaut.
    „Ich wollte dich nicht erschrecken", sagt er mit seiner leisen Stimme.
    „Ähm - ja, schon okay", stammle ich los und weiß wieder mal nicht, wie ich mich verhalten soll. Das war doch logisch, dass der mir folgt, oder nicht?
    „Ich soll dir vom Böke sagen, dass du dich nicht vor deiner Extraaufgabe drücken kannst."
    „Aha, schön", sage ich. Aber das interessiert mich im Moment natürlich überhaupt nicht. Jetzt gerade ist nur wichtig, wie ich jetzt aus dieser Situation rauskomme.
    „Wenn es dich interessiert, ich habe mir auch eine Strafarbeit eingefangen."
    „Warum soll mich das interessieren?", frage ich.
    „Vielleicht, weil wir miteinander reden sollten?", erwidert Andy und durchbohrt mich mit seinem Eisblick.
    Ich habe mir das ja auch schon gedacht, aber in der Realität sieht ja alles immer ein wenig anders aus. Und irgendwie habe ich keine Ahnung, wie ich jemals mit Andy über das alles reden soll. Trotzdem nicke ich zaghaft.
    „Wir werden keine Freunde, keine Angst", sagt Andy unerwartet. „Wir sollten uns nur ein wenig arrangieren, bevor einer von uns beiden Mist baut." Und dann war er wieder verschwunden.
    ... bevor einer von uns beiden Mist baut. Der Satz schoss mir immer wieder durch den Kopf. Ich weiß, dass er recht hat. Schließlich habe ich keinen Bock, dass die ganze Schule weiß, dass ich schwul bin. Und das wird unweigerlich herauskommen, wenn irgendwer erfährt, dass Andy regelmäßig auf Gayboy-Engelchen macht.
    Mühsam raffe ich mich auf, um mir vom Böke meinen Abriss abzuholen. Extraarbeit mit Andy zusammen, na toll.
    Als ich den Klassenraum wieder betrete, erfahre ich auch sofort, was sich der Böke für uns ausgedacht hat: „In zwei Wochen stellt ihr uns in einem Gemeinschaftsreferat Thomas Manns ‚Tod in Venedig' vor." Der Böke grinst breit. „Und weil ihr zusammen vortragen dürft, erwarte ich im Anschluss von jedem eine schriftliche Ausfertigung von sagen wir mal vier Seiten."
    Ich sehe zu Andy rüber, der einfach nur nickt und die Strafe hinnimmt. Mich trifft die Extraarbeit aber wie ein Schlag. Nicht nur, dass ich mit Andy zusammen vortragen soll, nein, wir sollen auch noch ein Buch vorstellen, von dem jeder weiß, dass es um einen schwulen Alten geht, der spitz auf 'nen Jungen ist.
    Mit rotem Kopf setze ich mich schnell und versuche nicht weiter aufzufallen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass neben und hinter mir gekichert wird.
    Nach der Stunde komme ich meiner Pflicht nach und treffe mich mit dem Dornfels im Sprechzimmer. Wie immer ist er freundlich. Aber er guckt mich auch voll lange an, so als ob er etwas sagen will, das er sich doch nicht zu sagen traut. Irgendwie bin ich erleichtert darüber. Also reden wir nur über den Zwischenfall und ob das in Ordnung sei, oder er mal mit dem Kerl reden soll. Lehrer verstehen halt nicht, dass man mit manchen Menschen nicht reden kann. Also sage ich das, was ich sagen muss: „Nee, alles in Ordnung."
    Er ist dann auch irgendwie beruhigt und meint, dass ich mit Problemen zu ihm kommen soll. Egal womit. Klar, als wenn das jemand machen würde ...

Kapitel 13

    Zu Hause werfe ich mich sofort hinter meinen Computer. Bastian hat zwar gefragt, ob wir heute nicht mal wieder irgendwas zusammen machen könnten, aber das musste ich ablehnen. Nicht, dass ich mich darüber nicht freuen würde ... Nur habe ich momentan ganz andere Probleme, die ich mit ihm eh nicht besprechen kann. Das kann ich ironischerweise nur mit Sven. Ich glaube, es wäre ein Katastrophe, wenn Bastian irgendwie davon Wind bekäme ...
    Schnell logge ich mich in den Chat ein und halte nach Svens Nick Ausschau. Für einen schrecklichen Augenblick bin ich mir sicher, dass ich ihn nicht finden werde, weil er ... Ja, was macht er überhaupt? Wir haben ja im Grunde die ganze Zeit nur über mich geredet ...
    Dann finde ich aber