Love me, angel (Junge LIebe ) (German Edition)
dass ich nicht da war.
Ich klicke weiter.
DEINE ELTERN HABEN GERADE ANGERUFEN!!! WAS IST DENN LOS??? SVEN IST AUCH TOTAL GAGA UND LABERT SCHEISSE
Mir wird schlecht. Sven labert Scheiße? Das kann eigentlich nur bedeuten, dass meine Eltern nach mir gefragt haben und er ihnen gesagt hat, dass ich neuerdings mit Gogo-Boys unterwegs bin. Die Nachricht ist um kurz nach elf Uhr geschrieben worden. Da war ich ja schon gar nicht mehr auf dieser Erde. Und wenn meine Eltern mich da vermisst haben, hat Sven doch sicher eins und eins zusammengezählt. Nervös klicke ich weiter.
STEPH! MELDE DICH BITTE! DEINE ELTERN SIND GANZ SCHÖN FERTIG UND ICH MACH MIR SORGEN. BIST DU BEI ANGEL? SVEN
Die Nachricht wurde eine halbe Stunde später geschickt. Sven muss Bastian das Handy abgenommen haben. Mann, auffälliger geht's nicht, was? Wie soll ich Bastian denn jetzt erklären, warum mir sein Bruder von seinem Handy aus Nachrichten schreibt?
Dann piepst es wieder und ich bekomme zwei weitere SMS nachgeliefert.
STEPH! WAS IST LOS? DEINE ELTERN RUFEN ANDAUERND AN, WEIL ICH IHNEN GESAGT HABE, ICH WÜSSTE VIELLEICHT WO DU BIST!!! LANGE KANN ICH DIE NICHT MEHR HINHALTEN. SVEN.
Das war kurz nach Mitternacht. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, was in der nächsten Nachricht stehen wird. Sven hat doch nicht wirklich meinen Eltern erzählt, dass ich ...
Ich rufe die nächste SMS auf und lese:
SORRY!!!
Ich schließe die Augen. Ein Mischmasch aus tausend Gefühlen rauscht durch mich hindurch. Wie soll ich das bloß alles wieder ins Reine bringen? Wie konnte ich überhaupt keinen einzigen Gedanken an meine Eltern verschwenden? Ist doch klar, dass die ausrasten, wenn ich nicht zur Schule gehe. Wahrscheinlich hat Bastian es ihnen auch noch mitgeteilt, indem er nach der Schule zu mir wollte. Und dann Sven ... Mir wird ganz schlecht. Der erste Schritt wäre jetzt wohl, dass ich zuerst meine Mutter anrufe und dann meinen Vater auf dem Handy. Ich muss ja nix sagen, nur dass ich unterwegs in die Schule bin und heute irgendwann nach Hause komme. Aber will ich das überhaupt? Ich meine, mein Outing hab ich mir anders vorgestellt. Und jetzt wissen es auf einmal alle ...
Plötzlich klingelt mein Handy. Mir wird ganz schwarz vor Augen, weil es mein Vater ist. Und er weiß, dass ich das Handy anhabe, schließlich kommt keine Ansage, dass ich nicht zu erreichen bin. Widerwillig geh ich dran.
„Steph?", ruft mein Vater aufgebracht. „Steph, bist du dran?"
„Ja", sage ich. Dann schweigen wir beide. Ich aus Angst und mein Vater wohl vor Erleichterung oder Wut oder was auch immer.
„Wo bist du?", fragt er schließlich.
„In der Schule", lüge ich. Aber es ist ja gleich die Wahrheit.
„Ruf deine Mutter an! Ich muss jetzt weiter arbeiten." Mein Vater räuspert sich und irgendwie klingt er ganz weit weg. „Bis nachher."
Ich lausche noch eine Weile dem Tuten. Bis nachher. Das kam so komisch, als ob mein Vater weinen würde. Kann ich mir gar nicht vorstellen.
Geschockt wähle ich die Nummer von zu Hause. Noch mit dem ersten Klingeln geht meine Mutter dran und schreit: „Steph?"
„Ja", sage ich. „Ich komm nach der Schule nach Hause."
Meine Mutter schluchzt. „Gut", sagt sie schließlich und auch dieses Gespräch ist beendet.
Ich fühle mich, als hätte ich im Boxring gestanden. Und meine Hände schwitzen, als wären sie Wasserspender. Wie soll ich das nur alles überstehen? Warum überhaupt? Ein Anruf hätte doch genügt. Aber dass dieser verpasste Anruf gleich ein solches Chaos anrichtet, finde ich etwas übertrieben. Das kann doch nur passieren, weil ich sonst so brav bin. Andere Jungs können tagelang wegbleiben und das ist okay. Bei Andy würde es wahrscheinlich nicht mal auffallen, wenn er für immer verschwindet. Die Welt ist ganz schön verkorkst. Verkorkst und verkokst.
Als ich das Handy zurück in die Hosentasche schiebe, finde ich ein kleines Päckchen. Ich ziehe es hervor und sehe eine Art Abschiedsgeschenk von Andy: Ein weißes Gramm voller klärender Gedanken.
Die Bahn hält an und ich bekomme gerade noch rechtzeitig mit, dass ich aussteigen muss. Keine zwei Minuten mehr, dann bin ich wirklich in der Schule. Ich spüre einen leichten Brechreiz. Sven hat es erzählt, Bastian weiß es, dann Maike auch ... Alle wissen es. Und jetzt komme ich daher und muss mit dem Dornfels ein Gespräch führen, weil sonst das Chaos losbricht. In diesen Klamotten durch die Schule, sodass jeder sofort sieht, dass ich auf einer
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