love sheriffs
belagern.
Alles ist natürlich halloweenmäßig dekoriert: künstliche Spinnweben, Skelette, Fledermäuse, die von der Decke baumeln, geisterhaftes Licht, Musik von Alice Cooper, Korn, Marilyn Manson und - der Gipfel der Gruseligkeit - Modern Talking. Zusammen mit den über hundert verkleideten Partygästen und Igor ergibt das eine angenehme Horroratmosphäre. Wie Bundesjugendspiele mit Alkohol.
Seit ein paar Minuten stehe ich im Eingangsbereich und suche unter all den Fratzen und Fressen nach einem bekannten Gesicht. Joy habe ich schon in einer der Sitznischen entdeckt. Ihre Verkleidung besteht aus einem Kinderwagen, in dem sie eine Diddlmaus spazieren fährt. Außerdem hat sie ein weißes Shirt im Brustbereich groß mit »Rosemarie« beschriftet. Auf ihre Bauchwölbung hat sie zwei giftgrüne Raubtieraugen gemalt - Rosemaries Baby.
Also, wenn ich schwanger wäre, würde ich damit keine Scherze treiben. Selbst wenn mein Glücksstein so groß wäre wie der Watzmann, würde ich da nichts beschreien wollen. Joys Junge (ich wette, es wird ein Junge) wird es schwer haben mit solchen Augen und in einem rosa Tigerentenstrampler.
Ninjamäßig schleiche ich an Joy vorbei, um einen Blick auf Mirko zu werfen. Er sitzt neben ihr und hat seinen Arm um sie gelegt. Die Draculaverkleidung passt zu ihm. Ich traue ihm voll zu, dass er sich nachts zum Schlafen kopfunter an die Decke hängt. Misstrauisch wittert er mit den Blicken in die Umgebung. Als ein harmloser Teufel in den Kinderwagen schaut, fährt er ihn an: »Suchst du was?«
»Ich gucke nur«, sagt der Teufel.
»Dann guck woanders!«
Ein nettes Kerlchen hat Joy sich da ausgesucht! Joy und Mirko - Sonnenschein und Gewitterschauer. Ihr Sohn wird bestimmt ein launischer kleiner Satansbraten. Und schwul noch dazu.
Da ich Joy verraten habe, dass ich zur Party meine wahre Ninja-Natur herauslassen werde, erkennt sie mich sofort, als ihr Blick auf mich fällt, und blinzelt mir vorsichtig zu. Mirko soll natürlich nicht wissen, dass ich seine Freundin kenne, wenn ich ihn später anflirte.
Daniel und Igor finde ich dann an der Tanzfläche, wo sie ein paar Mumien und Zombies beobachten, die zu Michael Jacksons Thriller komische Verrenkungen ausführen, die sie offenbar gemeinsam einstudiert haben. Sie sind allerdings nicht ganz synchron und auch nicht ganz im Takt und ganz dicht sowieso nicht.
Mein Chef hat sich, wie überhaupt die meisten hier, ebenfalls als Vampir verkleidet. Ein Vampir mit Brille, Zombies beim Synchrontanz - die Untoten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.
»Pia! Gott sei Dank, da bist du ja«, ruft er erfreut. »Igor wollte gerade hinschmeißen.«
»Oui, ich hasse das hier!«, grollt Igor. »Horrem? Da lache ich! Das ist kein Horror. Ich war im Krieg. Ich weiß, was Horror ist. Aber das hier?« Er schüttelt angewidert den Kopf. »Pour enfants.«
»Das hier sind arme Elefanten?«, frage ich nach und ernte dafür einen wahren Horrorblick von Igor.
»Ist deine Katze wieder unten?«, erkundigt sich Daniel.
»Nein, und deshalb muss ich gleich wieder weg. Igor weiß Bescheid, was er zu tun hat?«
» Oui«, bestätigt der Exlegionär.
»Ich verwickle jetzt unseren Mann in ein kurzes Gespräch«, gehe ich dennoch alles noch einmal durch. Ich mag Joy und möchte vermeiden, dass Igor den Vater ihres Kindes krankenhausreif prügelt, nur weil er etwas falsch verstanden hat. Einem Mann, der eine Halloween-Party mit einer Elefantenherde vergleicht, ist nicht zu trauen. »Dann kommen Sie, Igor, und schreien uns an. Sie können ruhig Flittchen und andere Schimpfwörter benutzen, das ist okay. Aber Sie dürfen Mirko auf keinen Fall schlagen, verstanden? Ihn am Umhang packen und ein bisschen schütteln, das ja. Mirko und ich werden natürlich alles abstreiten und es war ja auch nichts. Aber das interessiert Sie überhaupt nicht. Sie machen dem Kerl so lange die Hölle heiß, bis seine Freundin Joy - das ist die Schwangere - hinzukommt und ihn in Schutz nimmt. Sie wird sagen, dass sie ihrem Freund vertraut und weiß, dass er sie liebt und deshalb niemals etwas mit einer anderen Frau anfangen würde. Und daraufhin lassen Sie ihn in Ruhe und können nach Hause.«
»Das weiß ich alles«, sagt Igor genervt. »Ich kenne meine Instruktionen und ich werde sie auf den Punkt befolgen. Soll ich dir meine Kriegsorden zeigen?«
»Soll ich Ihnen meine Puppensammlung zeigen?«
In dem Moment verlassen die Mumien die Tanzfläche und eine von ihnen rempelt Igor leicht an.
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