Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Love Story: Roman (German Edition)

Love Story: Roman (German Edition)

Titel: Love Story: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Segal
Vom Netzwerk:
gern.
    Er ist vielleicht kein Genie und kein großartiger Fußballer (er hat beim Stürmen eine lange Leitung), aber er ist ein treuer Freund und guter Zimmergenosse. Und wie hat der arme Kerl den größten Teil unseres Semesters gelitten. Wohin ist er wohl lernen gegangen, wenn er den Schlips am Türknauf unseres Zimmers hängen sah (das althergebrachte Zeichen für «Kampfhandlungen im Inneren»)? Zugegeben, so oft lernte er gar nicht, aber immerhin, gelegentlich mußte er es doch. Nehmen wir an, daß er die Hausbibliothek dazu benutzte oder die von Lamont oder sogar den Pi Eta Club. Aber wo hat er an all den Sonnabenden geschlafen, an denen Jenny und ich beschlossen, der Hausregel zu trotzen und die Nacht gemeinsam zu verbringen? Ray mußte sich irgendwelche Schlafstellen zusammenschnorren – Couches in der Nachbarschaft, immer vorausgesetzt, daß bei denen nichts Ähnliches im Gange war. Na, es war wenigstens nach der Fußballsaison. Und ich hätte für ihn das gleiche getan.
    Aber was hatte Ray davon? In alten Zeiten hatte ich die Liebesabenteuer bis in die kleinste Einzelheit mit ihm geteilt. Jetzt wurde ihm nicht nur dieses unabdingbare Recht des Zimmergenossen vorenthalten, sondern ich legte nicht einmal das volle Geständnis ab, Jenny und ich hätten ein Verhältnis miteinander. Ich deutete immer nur an, Jenny und ich brauchten das Zimmer und so. Stratton konnte daraus schließen, was er wollte.
    «Mensch, Barrett, treibt ihr es nun miteinander oder nicht?» fragte er wohl mal.
    «Raymond, ich bitte dich als Freund: Frag nicht!»
    «Mensch, Barrett, all diese Nachmittage und am Freitagabend und am Samstagabend, Mann, ihr müßt es doch einfach miteinander treiben?»
    «Warum fragst du dann, Ray?»
    «Weil es krankhaft ist.»
    «Was?»
    «Die ganze Geschichte, Öl. Mann, so war das doch noch nie. Ich meine, daß der olle Ray überhaupt rein gar nichts mehr erfährt. Ich meine, so was ist doch einfach untragbar. Krankhaft. Mann, was kann die denn, was so anders ist …»
    «Hör mal, Ray, bei einer gereiften Liebe –»
    «Liebe?»
    «Sag das nicht so, als ob es ein unanständiges Wort wäre!»
    «In deinem Alter? Liebe? Mann, ich krieg’s mit der Angst, alter Kumpel …»
    «Angst um was? Um meinen Verstand?»
    «Um dein Junggesellendasein. Deine Freiheit. Dein Leben!»
    Der arme Ray. Er meinte es ernst.
    «Du fürchtest deinen Zimmergenossen zu verlieren, was?»
    «Ach, Quatsch, ich hab ja eher noch einen dazugekriegt – bei der vielen Zeit, die sie hier verbringt!»
    Ich zog mich gerade für ein Konzert um, daher würde diese Unterhaltung bestimmt bald zu Ende sein.
    «Keine Sorge, Raymond. In New York haben wir dann ein Apartment miteinander. Jeden Abend andere Puppen. Wir lassen nichts anbrennen.»
    «Sag mir bloß nicht, ich soll mir keine Sorgen machen. Das Mädel, das hat dich!»
    «Alles ist unter Kontrolle», erwiderte ich. «Ruhig bleiben und tief durchatmen!» Ich rückte meine Krawatte zurecht und wollte zur Tür hinaus. Stratton war irgendwie noch nicht überzeugt.
    «Sag mal, Ollie?»
    «Ja-ah?»
    «Ihr treibt es doch miteinander, oder?»
    «Himmelkreuzdonnerwetter, Stratton!»

    Diesmal ging ich nicht mit Jenny ins Konzert: Ich sah ihr zu, wie sie darin spielte. Die Bach-Gesellschaft gab das 5. Brandenburgische Konzert im Dunster House, und Jenny spielte das Cembalo. Ich hatte sie schon oft spielen hören, gewiß, aber nie mit Orchester oder vor Publikum. Gott, war ich stolz auf sie. Soweit ich feststellen konnte, griff sie kein einziges Mal daneben.
    «Ich kann’s gar nicht fassen, wie großartig du warst», sagte ich nach dem Konzert.
    «Daran merkt man, wieviel du von Musik verstehst, Preppie.»
    «Ich versteh genug davon.»
    Wir standen im Hof von Dunster House. Es war einer von den Aprilnachmittagen, an denen man meint, daß der Frühling es schließlich doch noch bis nach Cambridge schafft. Ihre Musiker-Kollegen wandelten in der Nähe (einschließlich Martin Davidson, der unsichtbare Haßbomben in meine Richtung schleuderte), darum konnte ich mit ihr Fachgespräche über Anschlagtechnik führen.
    Wir überquerten den Memorial Drive, um am Fluß spazierenzugehen.
    «Also bitte schön, Barrett, nimm zur Kenntnis: Ich spiele ganz ordentlich. Nicht großartig. Nicht einmal ‹All-Ivy›-Niveau. Nur ordentlich. Okay?»
    Wie konnte ich nur widersprechen, wenn sie ihr Licht unbedingt unter den Scheffel stellen wollte.
    «Okay. Du spielst ganz ordentlich. Ich meine doch bloß, daß du

Weitere Kostenlose Bücher