Love Train
Zukunft der jeweils anderen zu sprechen.
Das zweite Hochbett belegten zwei Schwedinnen, die mit ihren roten Wangen und den Stupsnasen aussahen, als wären sie erwachsene Versionen der Kinder aus Bullerbü. Sie waren sehr nett und erzählten uns, dass sie abends in die Oper gehen wollten. Ich hegte die Hoffnung, dass sie sich danach nicht betrinken und nicht bis mitten in der Nacht feiern würden und ich somit endlich in Ruhe würde schlafen können. Und genauso war es dann auch, sodass ich mich am nächsten Morgen endlich mal wieder richtig ausgeruht fühlte.
Beim Frühstück, das aus einem groÃen Milchkaffee, Baguette und Marmelade bestand und in einer Art Gewölbekeller serviert wurde, weihte Juli mich in ihre Pläne für den Tag ein.
»Als Erstes gehen wir ins Rodin-Museum, das ist nämlich ganz in der Nähe, und dann steigen wir auf den Eiffelturm.«
»Du willst wirklich in dieses Museum?« Ich war so erstaunt über Vorschlag Nummer eins, dass ich ganz vergaÃ, gegen Vorschlag Nummer zwei zu protestieren.
»Natürlich«, beharrte Juli, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, dass sie plante, ein Museum zu besuchen. Dabei war sie es gewesen, die immer am lautesten stöhnte, wenn unsere Eltern uns in irgendwelche Ausstellungen geschleift hatten. Ich glaube, dass sie ihren Kunst-Leistungskurs nur belegt hatte, weil sie gut zeichnen konnte und somit gute Noten bekam, ohne sich wirklich für Kunst zu interessieren.
»Die Skulpturen sollen ziemlich sexy sein«, fügte sie mit einem Wimperklimpern hinzu. Aha, jetzt interessierte Juli sich also schon für steinerne Adonisse.
»Na dann.« Sie musste mich nicht lange überreden. Das Skulpturenmuseum erschien mir bei Weitem attraktiver als der Eiffelturm, denn der war mir mit seinen 324 Metern (so stand es in meiner App) genau 324 Meter zu hoch!
Das Musée Rodin war in einem alten Palast untergebracht und wirkte sowohl von auÃen als auch von innen sehr imposant. Die Atmosphäre brachte uns von ganz allein dazu, möglichst still durch die Räume zu gehen. Dafür hätte es gar keine Museumsaufpasser gebraucht, die mit strengem Blick über die steinernen Statuen wachten.
Wie nicht anders zu erwarten, fing Juli nach kürzester Zeit an, sich zu langweilen. Doch ich gab ihrem Drängen, lieber einen Kaffee trinken zu gehen, nicht nach. Mich faszinierten die marmornen Köpfe und Körper, denn sie kamen mir vor wie erstarrtes Leben. Am meisten zog mich die Skulptur »Der Kuss« an. Davor hätte ich ewig stehen können, so wunderschön fand ich die Innigkeit, mit der die Liebenden sich umarmten und küssten. Obwohl auch sie aus Marmor waren, sahen die beiden für mich echt aus. Oder waren es ihre Gefühle füreinander, die so realistisch und so intensiv eingefangen waren, dass sie in mir eine nagende Sehnsucht auslösten?
»Der hat aber groÃe FüÃe«, riss Juli mich aus meiner Betrachtung. »Du weiÃt ja, wie die FüÃe eines Mannes â¦Â«
»Juli, bitte!«, unterbrach ich sie.
»Kaffee?« Sie fragte mittlerweile zum fünften Mal.
»Na gut.« Widerstrebend löste ich mich von der Skulptur.
Wir tranken einen Café au Lait unter ausladenden Bäumen in dem wunderschönen Parkcafé des Museums, und dann bestand Juli darauf, dass wir uns Richtung Eiffelturm aufmachten.
Den ganzen Weg über versuchte ich, Juli davon zu überzeugen, dass es keine gute Idee war, auf den Turm zu klettern.
»Das sind viel zu viele Stufen«, sagte ich.
»Es sind 700 bis zur zweiten Plattform«, erwiderte Juli. »Das solltest selbst du schaffen. AuÃerdem können wir den Lift nehmen.«
»Die Tickets sind bestimmt viel zu teuer«, wandte ich ein.
»Die kosten 12,50 Euro pro Person, das können wir uns gerade noch leisten«, lieà Juli mich auflaufen.
Sie hatte sich dieses eine Mal wirklich gut informiert, sodass mir irgendwann die Argumente ausgingen und von dem Einzigen, das sie vielleicht überzeugt hätte, wollte ich ihr nicht erzählen: meiner Höhenangst.
Ich war noch nie ein groÃer Fan von luftiger Höhe gewesen, denn die hatte bei mir schon immer ein ungutes Gefühl ausgelöst. Wenn mein Vater meine Schwester und mich als kleine Kinder in die Luft geworfen und wieder aufgefangen hatte, dann hatte Juli vor Freude gejauchzt und ich hatte angefangen zu heulen,
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