Love Train
eines der Hölzchen mit blauem Köpfchen heraus. Blieben noch zwei Hölzer, eins mit und eins ohne Kopf.
Meine Finger wanderten über den zwei schmalen Stäbchen hin und her. Was war schlimmer: eine Aufgabe von Felix zu bekommen oder selbst eine formulieren zu müssen? Die Frage, wie ich Aufgabe Nummer eins lösen sollte, hatte mich die ganze Zeit so beschäftigt, dass ich gar nicht darüber nachgedacht hatte, was ich sagen sollte, wenn ich an der Reihe sein würde. Felix lächelte mich an, ich atmete tief durch und zog. Das kurze Streichholz!
»Dann lass mal hören!« Tobias verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich abwartend. Es war das erste Mal, dass er mir seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Auch Juli und Felix sahen mich erwartungsvoll an.
»Ich ⦠hm â¦Â« Mist, dachte ich, warum hatte ich mir nicht vorher etwas überlegt? »Wartet mal.« Ich holte mein Handy wieder raus und startete die Paris-App. Was konnte man in Paris erleben? Was gab es dort zu tun? Welche Aufgabe konnte ich den anderen stellen? Und mir natürlich. Herrje! Mein Finger flog über das Touchscreen.
»Lena.« Juli wurde langsam ungeduldig, und Tobias fing an, gelangweilt vor sich hin zu pfeifen. Ich kannte den Song, den er mehr schief als schön pfiff â es war »Dreamgirl« von No Way . Ob er versuchte, mich zu ärgern?
»Moment noch.« Wahllos tippte ich auf einen der Einträge, und als dieser sich öffnete, dachte ich: gar nicht schlecht.
»Wir treffen uns auf dem Friedhof Père-Lachaise «, schlug ich vor. Juli seufzte und Tobias pfiff einfach weiter. Da kam mir eine Idee. »Also, hört zu«, erklärte ich bestimmter. »Die nächste Aufgabe lautet: Wir treffen uns in drei Tagen am Grab des berühmt-berüchtigten Doors-Sängers Jim Morrison und jeder von uns muss ihm ein Ständchen bringen.«
»Hä?« Tobias sah nicht gerade beeindruckt aus, aber immerhin hatte ich ihn dazu gebracht, mit dem Pfeifen aufzuhören.
»Du meinst: singen?«, hakte Juli nach und schaute mich wütend an. Juli bringt keinen geraden Ton heraus, was sie eindrucksvoll bewiesen hatte, als sie mal auf einer Schulparty unter dem Einfluss einer gröÃeren Menge Sektbowle beim Karaoke ausgerechnet »Like a Virgin« von Madonna singen wollte. In der Abizeitung gab es dazu einige ziemlich eindeutig zweideutige Witze. Aber ich schwöre, dass ich daran gar nicht gedacht hatte, als ich die Aufgabe stellte!
»Ja, ich meine singen«, stimmte ich ihr zu und hoffte, dass sie mir bis Paris verziehen haben würde.
»Okay. Nette Idee.« Felix war mit meinem Vorschlag einverstanden, aber Tobias protestierte.
»Nette Idee? Das ist doch lahm! Auf dem Friedhof ein Liedchen singen, das kann doch jeder. Sind wir hier im Kindergarten? Nee, das muss ein bisschen spannender werden.« Er spitzte die Lippen, als wollte er wieder pfeifen, aber offenbar dachte er nur angestrengt nach. »Ich habâs«, erklärte er dann. »Wir machen es so, wie die Kleine gesagt hat.« (Lena, ich heiÃe Lena!) »Aber wir treffen uns nicht einfach irgendwann. Wir treffen uns Punkt Mitternacht!«
»He, das ist aber verboten«, konterte ich Tobiasâ Vorschlag. Ich sah noch mal auf mein Handy. »Der Friedhof Père-Lachaise schlieÃt abends um sechs.«
»Ist doch super«, erwiderte Tobias unbeeindruckt. »Dann ist es wenigstens eine echte Herausforderung und nicht so ein Kinderkram!«
Juli und Felix sagten nichts dazu. Und somit war es dann wohl beschlossene Sache!
Juli schmollt, ich schreibe. Somit tun wir wohl beide das, was wir am besten können.
aus Lenas Tagebuch
Ich betrachtete den Satz in meinem Tagebuch und überlegte, ob das überhaupt stimmte. Konnte ich wirklich gut schreiben? Ich wusste es nicht. Denn bisher hatte ich niemandem meine Geschichten gezeigt und mein Tagebuch natürlich auch nicht! Ich hatte gelegentlich mit der Idee geliebäugelt, in unserer Schülerzeitung zu veröffentlichen, war aber jedes Mal kurz vor der Deadline zu feige gewesen, dem Chefredakteur aus der Oberstufe meine Texte anzubieten.
Aktuell konnte ich zumindest nicht besonders gut schreiben, aber das lag am Ruckeln des Zuges, der uns von Calais nach Paris brachte. Da er überfüllt war, mussten wir auf unseren Rucksäcken im Gang zwischen den Abteilen hocken, und ich hielt mein Tagebuch auf den
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