Love Train

hatte, konnte ich unmöglich Nein sagen und nickte begeistert. Felix lief los und organisierte jedem von uns eine Waffel mit zwei Bällchen Schokoladeneis – meiner Lieblingssorte –, dabei hatte er gar nicht gefragt, was ich wollte. Wir schleckten, während wir weiterspazierten, und kamen schließlich zu einem Karussell.
    Â»â€¦ von bunten Pferden, alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht.« Felix betrachtete das Karussell, das sich gemächlich im Kreis drehte. Er hatte so leise gesprochen, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
    Â»Was hast du gerade gesagt?«, fragte ich verwirrt.
    Â»Das ist ein Gedicht von Rilke«, erklärte er, ȟber dieses Karussell. Kennst du das nicht?« Lauter fuhr er fort zu zitieren: »Zwar manche sind an Wagen angespannt, doch alle haben Mut in ihren Mienen; ein böser roter Löwe geht mit ihnen und dann und wann ein weißer Elefant.«
    Â»Ne, kenn ich nicht«, musste ich zugeben.
    Â»Ich finde vor allem die Stelle mit dem Mut schön«, sagte er.
    Ich schaute nach dem Elefanten auf dem Karussell und tatsächlich: Da war er, grau gestrichen zwar, doch die Farbe platzte bereits ab und darunter kam das ursprüngliche Weiß wieder ans Licht. Es erstaunte mich, dass Felix das Gedicht offenbar im Kopf hatte. »Wieso kennst du es auswendig?«, erkundigte ich mich neugierig.
    Â»Oh, unser Deutschlehrer hatte einen Spleen«, erzählte Fe lix mit einem Schulterzucken. »Jede Woche ein neues Gedicht, war seine Devise. Wir sollten es auswendig lernen und einer von uns musste es vor der gesamten Klasse vortragen. Wer nicht genug geübt hatte, bekam eine Sechs.«
    Â»Das klingt ja gruselig«, empörte ich mich.
    Â»Tja, das nennt sich gehobenes Bildungsinstitut. Ich glaube, unsere Lehrpläne waren dreimal so lang wie die an anderen Schulen. Eigentlich ist es erstaunlich, dass ich keine Lyrikphobie entwickelt habe.« Er lachte und wirkte dabei nicht so, als hätte er seine Schulzeit als besonders traumatisch erlebt. Irgendwie bewundernswert, dachte ich. Ich selbst wäre wahrscheinlich schon nach der ersten Woche aus diesem Internat abgehauen und nach Hause gerannt – wenn ich mich getraut hätte. Aber wahrscheinlich hätte ich mir so lange die Augen aus dem Kopf geheult, bis meine Eltern mich freiwillig abgeholt hätten, bevor ich an Flüssigkeitsmangel gestorben wäre.
    Â»Lass uns eine Runde fahren«, schlug ich spontan vor. Das unermüdliche Drehen des Karussells wirkte so ausgelassen, und die bunten Holzpferde sahen so fröhlich aus, dass ich plötzlich Lust bekam, auf einem von ihnen zu reiten.
    Â»In Ordnung, wenn du willst«, willigte Felix zu meiner Überraschung ein und lief los, um die Fahrchips zu kaufen.
    Ich suchte mir einen Schimmel mit rotem Sattel aus, Felix stieg neben mir auf ein braunes Pferd mit grünem Zaumzeug. Auf allen anderen Tieren saßen ausnahmslos Kinder, die uns beide irritiert musterten, aber das war uns egal!
    Als das Karussell sich zu drehen begann, umfasste ich die gelbe Haltestange, lehnte mich ein wenig zurück und wendete den Kopf, sodass ich die hellen Blätter an den Bäumen sehen konnte, die im Wind wippten. Die Drehung des Karussells war nicht schnell genug, um einen Fahrtwind auf meinen Wangen zu spüren, und meine Füße berührten fast den Boden, trotzdem fühlte ich mich in diesem Moment so frei, als könnte ich meinem Pferdchen die Fersen in die Flanken stoßen und davongaloppieren.
    Â»Lass uns ein Rennen machen«, schlug Felix plötzlich vor, und wir lehnten uns über die aufgemalten Mähnen der Holztiere, bis unsere Köpfe fast die spitzen Ohren berührten, und schnalzten mit den Zungen, als wollten wir die Pferde antreiben.
    Â»Hüa!«, rief Felix, und ich musste so lachen, dass ich beinahe aus dem Sattel gepurzelt wäre, doch dann kam das Karussell zum Stehen.
    Später wanderten wir durch das abendliche Paris, vorbei an Straßencafés und Restaurants, die sich langsam mit hungrigen Gästen füllten, bis wir schließlich zur Seine gelangten. Unterwegs war Felix in einen kleinen Laden abgebogen, der auch sonntags geöffnet hatte, und nun schlenkerte in seiner rechten Hand eine Plastiktüte und in der linken ein langes Baguette. Aber immer, wenn ich sagte, dass ich langsam Hunger bekäme, erklärte er, dass ich noch Geduld haben müsse. Wir spazierten ein