Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
dem Parkplatz vor dem Supermarkt setzten wir uns auf die Motorhaube, aßen geklaute Eisriegel und dachten uns Geschichten über die Leute aus, die vorbeigingen.
»Wenn wir mal alt sind, gehen wir auch jede Woche in den Supermarkt«, sagte Julia, als eine verschrumpelte alte Frau (die ich als Ex-Schlangenbeschwörerin/Ex-Bordellbesitzerineingestuft hatte) an uns vorbeiging. »Dann jammern wir über das Wetter und unsere künstlichen Hüften und klauen jedes Mal ein paar Eisriegel. Versprochen?«
»Versprochen«, sagte ich lächelnd.
Ich vermisse sie so sehr.
Giggles ließ sich Zeit. Als sie endlich auftauchte, hatte die erste Stunde bereits angefangen. Sie kam ins Zimmer hereingefegt und behauptete, sie sei aufgehalten worden. Dann führte sie uns in ihr Büro und sagte: »Wir legen Wert darauf, Kontakt zu unseren Schülern zu halten, verstehen Sie? Das schafft eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens, in der es sich viel besser arbeiten lässt.« Ha! Im Flur lauern und jeden zur Schnecke machen, der das Pech hat, ihr in die Arme zu laufen, das nennt sie »eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens schaffen«!
Ihr Büro war wie immer, die Wände vollgepflastert mit dem Diplom von ihrer Schrott-Uni und ihren Urkunden und Zeugnissen (zum Beispiel für so tolle Studiengänge wie »Textverarbeitung II«).
Dann »entschuldigte« sie sich, dass sie gezwungen sei, den »besorgniserregenden Vorfall von gestern« zur Sprache zu bringen, und endlich ließ sie die Katze aus dem Sack: »Vielleicht sollten wir Amys Situation noch mal überdenken. Wie Sie wissen, sind ihre Beurteilungen nicht gerade die besten, und möglicherweise wäre ein anderer Schulzweig wie der technische Zweig in Pinewood besser geeig …«
»Wie sind Amys Noten?«, fragte Dad.
»Nun, die Noten sind hier nicht der Punkt. Es geht um das, was gestern passiert ist und weshalb Sie hier sind, und ich würde gern …«
»Sie sagten, dass wir Amys Situation noch mal überdenken sollten«, fiel Dad ihr mit eisiger Stimme ins Wort und jetzt wusste ich, warum die Leute, die ihn von der Arbeit anriefen, manchmal so nervös klangen. »Und wenn Sie dieses Thema aufbringen und sogar eine andere Schule empfehlen, kann das doch nur bedeuten, dass Amys Noten schlecht sein müssen. Davon haben meine Frau und ich bisher nichts gehört – von keinem der Lehrer und übrigens auch nicht von Ihnen. Falls Sie also von schulischen Problemen wissen, die unsere Tochter haben soll, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie etwas konkreter werden könnten …«
Giggles verzog das Gesicht, als hätte ihr jemand einen Beutel Zitronen in den Mund gestopft. »Von schulischen Problemen weiß ich derzeit nichts.«
»Aha. Dann geht es also nur darum, dass Amy gestern unentschuldigt gefehlt hat. Ein Einzelfall, wenn ich das richtig verstanden habe?«
»Schuleschwänzen ist eine ernste Angelegenheit.«
»Darin gebe ich Ihnen völlig recht«, sagte Mom und legte eine Hand auf Dads Arm. »Ich habe vorhin im Vorzimmer mit einer sehr netten Dame gesprochen, einer Mrs Howard? Oder Halder? Ich kann mir Namen so schlecht merken. Es ist schrecklich – ich lasse meine Schüler in alphabetischer Reihenfolge sitzen, damit ichsie nicht verwechsle. Amy, weißt du noch, mit wem ich geredet habe? Sie sagte, sie arbeitet für das Direktorat.«
»Mrs Harris?« Mrs Harris war vielleicht alles Mögliche, aber »nett« gehörte nicht zu ihren hervorstechendsten Eigenschaften. Ihr Lieblingswort war »Nein«, und Mr Waters war zwar offiziell der Direktor der Schule, aber jeder hier wusste, dass Mrs Harris in Wahrheit die Zügel in der Hand hielt und Mr Waters nur noch die Tage zählte, bis er endlich in Pension gehen konnte.
»Richtig«, sagte Mom. »Also jedenfalls hat Mrs Harris mir erzählt, dass gestern fünfundzwanzig Schüler im Unterricht gefehlt haben. Und dass wir die einzigen Eltern sind, die deshalb zu einem Gespräch hergebeten wurden.«
»Also, ich …«
»Aber was ich noch viel merkwürdiger finde: Mrs Harris sagte mir, dass Amy im letzten Halbjahr an zwölf Schultagen gefehlt hat. Und ich kann mich nicht erinnern, dass Sie meinen Mann oder mich darüber informiert hätten. Wie ist das möglich, Mrs Griggles?«
Giggles’ Gesicht wurde immer saurer. »Nun ja, letztes Jahr hatten wir nicht genügend Personal und ich …«
»Ja, sicher – aber ich glaube, es wäre besser, wenn Sie sich in Zukunft weniger um Amys Vergangenheit und dafür mehr um ihre momentane Situation
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