Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
große Freundschaftsnummer ab und verständigte sich mit mysteriösen Handbewegungen, über die nur Insider lachen konnten.
Beth hat tatsächlich ein Gehirn in ihrem verrotteten Kopf – immer wenn Ms Gladwell vorbeikam und sich in unsere Diskussion einmischte, gab Beth erstaunlich intelligente Kommentare zu dem Buch ab. Das ist das einzig Nette, was ich über sie sagen kann. Sie ist ein Miststück, aber nicht dumm.
Selbst jemand wie Beth müsste im Prinzip ein paargute Eigenschaften haben. Oder zumindest eine, weil sie ja theoretisch menschlich ist. Aber an Beth ist überhaupt nichts Gutes. Null. Im Gegenteil, sie ist noch viel schlimmer, als ich sie in Erinnerung hatte. Wenn Mel zum Beispiel die Frechheit besaß, mit Caro zu reden, warf sie Caro einen Blick zu, der keinen Zweifel daran ließ, was ihr blühen würde, wenn sie Beth in die Quere kam: »Pass auf, was du sagst: Ich mach dich in dreißig Sekunden fertig, wenn es sein muss oder wenn mir gerade danach ist.«
Caro murmelte also höchstens »Ich weiß nicht« oder »Über die Stelle hab ich noch nicht richtig nachgedacht«.
Nach einer Weile gab Mel auf und fing an, mit Patrick und mir zu reden. Ich sagte, dass ich den Text, den Ms Gladwell uns aufgegeben hatte, noch nicht gelesen hätte, obwohl das nicht stimmte (aber ich wollte mich auf keinen Fall in eine Diskussion mit Beth hineinziehen lassen). Natürlich nützte mir das nichts, weil Beth hinausposaunte: »Soll das heißen, du hast überhaupt nichts gelesen, Amy?«, in voller Lautstärke, sodass Ms Gladwell es unweigerlich hören musste. Ich kassierte einen Verweis dafür und eine »Einladung«, nach dem Unterricht noch dazubleiben. Patrick lachte nur, als Mel ihm eine Frage stellte, und ich ärgerte mich, dass ich es nicht genauso gemacht hatte.
Dass Patrick lachte, war schon fast eine Sensation. Außer in der Nacht im Souterrain hatte ich ihn immer nur abweisend oder wütend erlebt. Als ob er immer unter Hochspannung stünde.
Und das Lachen selber? Es klang wie … naja, irgendwie eingerostet, als hätte er vergessen, wie man lacht.
Beth rümpfte natürlich die Nase und dann tuschelte sie mit Caro, wobei Tuscheln in diesem Fall bedeutete, dass Beth Patrick und mich anstarrte und laut genug »Loser« sagte, dass alle es hören konnten. Corn Syrup wurde rot, nickte aber brav dazu, wie eine hirnlose Marionette.
Ich wünschte beide zur Hölle, wünschte mir, dass der Boden sich auftun und sie verschlingen würde, und schaute zu Mel hinüber.
Mel wechselte einen Blick mit Patrick. Einen Blick, wie Julia ihn manchmal draufhatte, wenn sie mir signalisieren wollte: »He, Amy, jetzt mach mir nicht den Typ madig, weil sich da was anbahnt, und mir gefällt es und du zickst doch sowieso nur rum, sobald was mit Liebe zu tun hat.« (Was übrigens nicht stimmte. Julia war diejenige, die immer ausrastete, wenn ich ihr klarzumachen versuchte, dass Liebe nichts ist, was man sich freiwillig antut, sofern man noch alle fünf Sinne beisammen hat.)
Jedenfalls musste ich lächeln, obwohl Mel für mich der letzte Idiot war, wenn er sich mit Beth einließ. Weil sein Blick mich so an Julia erinnerte. Und außerdem gefiel es mir, dass er doch nicht ganz blind für Beths angeborene Bösartigkeit war.
Nach dem Unterricht hielt Ms Gladwell mir einen Vortrag, dass ich »dranbleiben« und »nicht unter mein Niveau absinken« sollte. Manchmal hab ich das Gefühl, dass alle Lehrer, die ich habe, so eine Art Benutzerhandbuchzu Rate ziehen, wenn sie mit mir sprechen. Zum Schluss sagte Ms Gladwell noch: »Du hast so viel Potenzial, Amy«, und das war echt das Dümmste, was ich je zu hören bekommen hatte – selbst von Laurie. Ich nahm es als Zeichen, dass der Tag nur noch schlimmer werden konnte.
Und natürlich behielt ich recht. Erstens hatte die Strafpredigt von Ms Gladwell nicht lange genug gedauert, um mir die ganze Mittagspause zu ersparen. Ich musste die restliche Zeit noch irgendwie hinter mich bringen, also ging ich in die Cafeteria, schnappte mir einen Gemüse-Wrap und stellte mich in der Schlange zum Bezahlen an, obwohl mein üblicher Platz am Losertisch bereits von der Schnurrbärtigen besetzt war. Auf ihrem Platz hatte sich der Anzugtyp breitgemacht, weil er seinen eigenen an einen Trupp von Neuntklässlerinnen abtreten musste, die an den Sportlertisch eingeladen worden waren und von den Seniors lüstern begafft wurden. Frischfleisch, zum Abschuss freigegeben. Ich hatte beinahe Mitleid mit ihnen.
Warum glauben
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