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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein kaufen fahren und dann im Haus herumrennen, um eine Bool-Jagd zu veranstalten?«
    »Nein.« Er drückt seine Zigarette in dem Aschenbecher auf dem Buch aus.
    Diese simple Verneinung löst eine seltsame Gefühlsmischung in ihr aus: wohlige Erleichterung und tiefe Enttäuschung. Es kommt ihr vor, als hätte sie eine Gewitterwolke in der Brust. Sie weiß nicht recht, was sie denkt, aber dieses Nein bedeutet, dass sie nicht länger darüber nach…
    »Er konnte nicht.« Scott spricht in demselben nüchternen, ausdruckslosen Ton weiter. Mit derselben Gewissheit in der Stimme. »Das konnte Paul nicht. Er konnte nicht gehen.« Die auf dem letzten Wort liegende Betonung ist nur angedeutet, aber unverkennbar. »Ich musste ihn hinbringen.«
    Scott wälzt sich zur Seite, wendet sich ihr zu und nimmt sie … nimmt sie aber nur in die Arme. Sein Gesicht an ihrem Hals ist heiß von unterdrückten Gefühlen.
    »Es gibt einen Ort. Wir haben ihn Boo'ya-Mond genannt, ich weiß nicht mehr, warum. Es ist sehr hübsch dort.« Höbsch. »Ich hab ihn hingebracht, wenn er verletzt war, auch als er tot war, aber ich konnte ihn nicht hinschaffen, wenn er bösmüllig war. Nachdem Daddy ihn erschossen hatte, hab ich ihn dort hin, nach Boo'ya-Mond, gebracht und begraben.« Der Damm gibt nach, und Scott beginnt zu schluchzen. Er kann die Laute etwas dämpfen, indem er den Mund geschlossen lässt, aber die Gewalt dieser Schluchzer lässt das Bett erzittern, und sie kann eine Zeit lang nicht mehr tun, als ihn tröstlich zu umarmen. Irgendwann bittet er sie, die Lampe auszuschalten, und als sie den Grund dafür wissen will, erklärt er ihr: »Weil dies das Ende ist, Lisey. Ich denke, ich kann es erzählen, solange du mich in den Armen hältst. Aber nicht bei Licht.«
    Und obwohl sie verängstigter ist als je zuvor – sogar er schrockener als in jener Nacht, in der er mit seiner blutig verstümmelten Hand aus der Dunkelheit aufgetaucht ist –, befreit sie einen Arm lange genug, um die Nachttischlampe auszuknipsen, wobei sie sein Gesicht mit der Brust streift, die später unter Jim Dooleys Wahn leiden wird. Anfangs ist das Zimmer dunkel, aber als ihre Augen sich an die Nacht gewöh nen, wird die Einrichtung schwach sichtbar; sie nimmt so gar einen leichten halluzinatorischen Schimmer an, der den Mondaufgang hinter den dünner werdenden Wolken ankün digt.
    »Du glaubst, dass Daddy Paul ermordet hat, stimmt's? Du denkst, dass dieser Teil der Geschichte so endet.«
    »Scott, du hast selbst gesagt, dass er ihn mit seinem Ge wehr …«
    »Aber es war kein Mord. Vor Gericht hätte die Anklage auf Mord lauten können, aber ich war dabei und weiß, dass es keiner war.« Er macht eine Pause. Sie erwartet, dass er sich eine neue Zigarette anzünden wird, aber das tut er nicht. Draußen frischt der Wind auf und lässt das alte Gebäude ächzen. Einen Augenblick lang schimmert die Einrichtung hel ler, nur ein wenig, dann kehrt die Dunkelheit zurück. »Daddy hätte ihn ermorden können, klar. Oft und oft. Das weiß ich. Manchmal hätte er's getan, wenn ich nicht da gewesen wäre, um Paul zu helfen, aber zuletzt war's dann doch anders. Weißt du, was man unter Euthanasie versteht, Lisey?«
    »Sterbehilfe.«
    »Ja. Die hat Daddy bei Paul geleistet.«
    Im Zimmer jenseits des Bettes erschauern die Möbel noch mals in Richtung Sichtbarkeit, nur um wieder im Dunkeln zu versinken.
    »Es war die Bösmülligkeit, verstehst du? Paul hatte sie ge nau wie Daddy. Nur war sie bei Paul zu stark, als dass Daddy sie noch mit Schneiden und Rauslassen bewältigen konnte.«
    Lisey glaubt zu verstehen. Indem der Vater seine Söhne – und sich selbst, wie sie vermutet – geschnitten hat, hat er eine primitive Art Vorsorgemedizin betrieben.
    »Daddy hat gesagt, dass es meist zwei Generationen über springt und dann doppelt so stark zuschlägt. ›Trifft dich wie ’ne Traktorkette auf'm Fuß, Scoot‹, hat er gesagt.«
    Sie schüttelt den Kopf. Sie weiß nicht, wovon er redet. Und ein Teil ihres Ichs will es gar nicht wissen.
    »Es war Dezember«, erzählt Scott weiter, »und es gab die erste Kältewelle. Wir haben auf dieser Farm gelebt, die auf allen Seiten von Feldern umgeben war und von der aus nur eine Straße hinunter zu Mulie's Store und nach Martens burg führte. Wir waren praktisch von der Welt abgeschnitten. Haben ziemlich im eigenen Saft geschmort, verstehst du?«
    Das tut sie. Das versteht sie recht gut. Sie stellt sich vor, dass ab und zu der Postbote die Straße

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