Love
existierenden Wassers.
»Soll mir ein Vergnügen sein«, sagte Scott.
Die unerschütterliche Gutmütigkeit seiner Erwiderungen schien Dashmiel zu beunruhigen. »Ich hoffe, Sie wern beim Spahdenstich nich zu viel sagn«, erklärte er Scott, als sie sich der mit Seilen abgesperrten Fläche näherten. Sie war frei gehalten worden, aber hinter ihr hatte sich eine Menge ver sammelt, die bis fast zum Parkplatz reichte. Und eine noch größere war Dashmiel und den Landons von der Inman Hall aus gefolgt. Bald würden die beiden sich vereinigen, und Lisey – der Menschenmengen sonst so wenig ausmachten wie Turbulenzen in zwanzigtausend Fuß Höhe – gefiel auch das nicht. Sie stellte sich vor, dass so viele Leute an einem derart heißen Tag sämtliche Luft aus der Luft saugen könnten. Eine blöde Idee, aber …
»Mächtig heiß heute, sogah für Nashville im August, nich wah, Toneh?«
Tony Eddington nickte verbindlich, sagte aber nichts. Seine bisher einzige Äußerung hatte daraus bestanden, den uner müdlich herumhüpfenden Fotografen als Stefan Queensland vom Nashville American – und auch von der U-Tenn Nash ville, Jahrgang 85 – vorzustellen. »Hoffe, dass ihr ihn unter
stützen werdet, wo ihr könnt, Leute«, hatte Tony Eddington zu Scott gesagt, als sie hierher aufgebrochen waren. »Sie beendn Ihre Ausführungn«, sagte Dashmiel, »un dafüh gibt’s noch mah Beifall. Dann , Mr. Landon …«
»Scott.«
Das hatte Dashmiel mit einem aufblitzenden starren Grin sen quittiert. »Dann, Scott, machn Sie weidah und wändn diese äußerst wichtige ährste Schaufel Ährde um.« Wändn? Ährste? Ährde?, fragte Lisey sich, und dann wurde ihr klar, dass Dashmiel in seinem kaum glaublich gedehnten Loui siana-Singsang vermutlich »und wenden diese äußerst wich tige erste Schaufel Erde um« gesagt hatte.
»Nichts einzuwenden«, antwortete Scott, und für mehr blieb keine Zeit, weil sie angekommen waren.
5 Vielleicht hängt das noch mit dem zerschlagenen Zahnputzglas zusammen – mit diesem ominösen Gefühl –, aber die Stelle mit herangekarrter Erde wirkt auf Lisey wie ein Grab: Größe XXL wie für einen Riesen. Darum herum vereini gen sich die beiden Mengen und erzeugen im Mittelpunkt dieses atemlose Brutofengefühl. An jeder Ecke der Absper rung aus roter Zierkordel, unter der Dashmiel, Scott und »Toneh« Eddington hindurchgeschlüpft sind, steht jetzt ein Mann vom Sicherheitsdienst der U-Tenn. Queensland, der Fotograf, tanzt mit seiner großen Nikon vor dem Gesicht unaufhörlich hin und her. Imitiert Weegee, denkt Lisey und merkt, dass sie ihn beneidet. Er ist so frei, saust mückenähn lich in der Hitze umher; er ist fünfundzwanzig, und sein ganzer Scheiß funktioniert noch. Dashmiel beobachtet ihn jedoch mit wachsender Ungeduld, die Queensland vorgibt, nicht zu bemerken, bis er genau das gewünschte Bild im Kasten hat. Lisey glaubt zu wissen, dass es Scott allein zeigt – mit einem Fuß auf dem dämlichen silbernen Spaten, seine Haare von einer Brise nach hinten geweht. Jedenfalls setzt Weegee Junior endlich seine große Kamera ab und tritt zurück an den Rand der Menge. Und während Lisey Queenslands Bewegungen mit leicht wehmütigem Blick verfolgt, sieht sie erstmals den Verrückten. Er sieht aus, wie ein Lokalreporter später schreiben wird, »wie John Lennon in seinen letzten Heroin-tagen – tief in den Höhlen liegende, wachsame Augen als seltsam beunruhigender Gegensatz zu einem ansonsten kindlich wehmütigen Gesicht«.
Zuerst bemerkt Lisey kaum mehr als die zerzausten blon den Haare des Kerls. Sie hat heute wenig Interesse daran, andere Leute zu beobachten. Sie will nur, dass dies alles vor bei ist, damit sie sich drüben in der Englischfakultät jenseits des Parkplatzes eine Toilette suchen und ihren rebellischen Slip aus ihrer Arschspalte ziehen kann. Sie muss auch Wasser lassen, aber das ist im Augenblick ziemlich nebensächlich.
»Meine Damen und Herren!«, beginnt Dashmiel mit tragen der Stimme. »Es ist miah ein großes Vergnügen, Ihnen Mr. Scott Landon vorzustellen, den Autor von Relics, das mit dem Pulit zerpreis ausgezeichnet wurde, und The Coster’s Daughter, das den National Book Award erhalten hat. Er ist mit seiner reizenden Gattin Lisa eigens aus Maine runtergekommen, um den ersten Spatenstich – richtig, endlich ist es so weit! – für unsere Shipman LAH-brie vorzunehmen. Scott Landon, Leute, lasst mich jetzt ein gutes altes Nashwiel-Willkommen für ihn hören!«
Die Menge
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