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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und war dann irgendwie verblüfft. Das war eine von Granny Debushers Redensarten gewesen, und Granny D hatte ganz bestimmt an Omen geglaubt, aber dieses alte Mäd chen hatte schon im Leichenhaus gelegen, als Lisey kaum vier gewesen war. War es möglich, dass Lisey sich überhaupt an sie erinnerte? Offenbar schon, denn als sie so dastand und auf die Splitter des Zahnputzglases hinabstarrte, glaubte sie die tatsächliche Artikulation dieses Omens in Granny Ds heiserer Raucherstimme zu hören … und hört sie jetzt wieder, als sie dasteht und beobachtet, wie ihr Mann in seinem leichtesten Sportsakko (das er trotzdem bald unter den Armen durchschwitzen wird) den guten Kerl spielt.
    Zerbrochenes Glas am Morgen, gebrochene Herzen am Abend.
    Richtig, das war Grannys Evangelium gewesen, an das sich zumindest ein kleines Mädchen erinnerte, das es sich vor dem Tag gemerkt hatte, an dem Granny D auf dem Hühnerhof sterbend umgekippt war: mit einem Knurren in der Kehle, einer Schürze voll Futter der Marke Blue Bird um die Taille und einem Säckchen Bucheckernbruch im Ärmel.
    Also.
    Nicht die Hitze, der Flug oder dieser Dashmiel, der nur des halb den Grüßonkel spielen darf, weil der Leiter der Englisch fakultät nach einer Notoperation, bei der ihm gestern die Gallenblase entfernt werden musste, im Krankenhaus liegt. Schuld ist ein zerbrochenes … verdammtes … Zahnputzglas in Kombination mit der Redensart einer schon lange toten iri schen Großmutter. Und das Komische daran ist (worauf Scott später hinweisen wird), dass es so gerade eben ausreicht, um sie nervös zu machen. Gerade eben genug, dass sie es umge schnallt oder zumindest halb umgeschnallt hat.
    Manchmal, wird er ihr in nicht allzu ferner Zukunft erklä ren – von einem Krankenhausbett aus (ach, wie leicht hätte er selbst im Leichenhaus landen können, womit alle seine schlaf losen, gedankenvollen Nächte vorüber gewesen wären), mit seiner neuen mühsamen Flüsterstimme sprechend –, manch mal ist gerade eben einfach genug. Wie man so schön sagt.
    Und sie wird genau wissen, wovon er spricht.
    Roger Dashmiel hat heute eine Menge um die Ohren, das weiß Lisey, obwohl ihn das ihr nicht sympathischer macht. Falls es jemals tatsächlich ein Redemanuskript für die Zeremonie gegeben haben sollte, war Professor Hegstrom (der mit der Notoperation an der Gallenblase) postoperativ zu benommen, um Dashmiel oder sonst jemandem mitzuteilen, was es enthielt und wo es zu finden war. Folglich hatte Dashmiel kaum mehr als eine Uhrzeit und eine Besetzungs liste erhalten, auf der ein Schriftsteller stand, den er schon auf den ersten Blick nicht leiden konnte. Als die kleine Gruppe von Honoratioren die Inman Hall zu dem kurzen, aber glut heißen Spaziergang zum Standort der zukünftigen Shipman Library verließ, hatte Dashmiel ihrem Gast erklärt, sie würden mehr oder weniger improvisieren müssen. Scott hatte gutmü tig mit den Schultern gezuckt. Damit hatte er nicht die ge ringsten Schwierigkeiten. Für Scott Landon war Improvisa tion Bestandteil seines Lebensstils.
    »Ich stell Sie dann voah«, sagte der Mann, den Lisey in spä teren Jahren für sich Mr. Southern Fried Chickenshit nannte. Das war, als sie zu dem sonnendurchglühten, hitzeflimmern den Stück Land unterwegs waren, auf dem die neue Shipman Library ( LAH -brie in Dashmiels Aussprache) stehen würde. Der Fotograf, der den Auftrag hatte, dies alles für die Ewig keit festzuhalten, rannte ruhelos vor und zurück, knipste und knipste, war beweglich wie eine Mücke. Nicht weit vor ihnen konnte Lisey ein Rechteck aus frischer brauner Erde sehen, eineinhalb mal drei Meter groß, schätzte sie, und heute Mor gen hergekarrt, wie sein eben verblassender Glanz erkennen ließ. Niemand hatte daran gedacht, ein Schatten spendendes Zelt zu errichten, weshalb die Oberfläche der frischen Erd schollen bereits grau wurde.
    »Irgendwer sollte es tun«, sagte Scott.
    Er sprach gutmütig, aber Dashmiel runzelte wie durch einen unverdienten Seitenhieb verwundet die Stirn. Dann fuhr er mit einem gehaltvollen Seufzer fort: »Auf die Einführung folgt Beifall …«
    »Wie der Tag auf die Nacht folgt«, murmelte Scott.
    »… und dann sagn Sie ein paah Worte«, schloss Dashmiel. Jenseits des sonnendurchglühten Ödlands, das auf die Biblio thek wartete, schimmerte im Sonnenlicht ein frisch asphal tierter Parkplatz: glattes Schwarz mit grellgelben Linien. Auf seiner anderen Seite sah Lisey fantastische kleine Wellen nicht

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