Love

Aufwachen!-Aufwachen!-Sonnenblitz über die in der Hitze erlahmten, von Schweiß klebrigen Gesichter der Menge. Liseys Mann ist plötzlich Scott der Marktschreier, und sie ist noch nie so erleichtert gewesen, dieses völlig unzu verlässige Baby-ich-bin-hip-Marktschreier-Grinsen zu sehen.
    Jetzt hat er sie an der Angel; jetzt wird er versuchen, ihnen einen Mundvoll zweifelhafter Patentmedizin zu verkaufen: das Zeug, das er ihnen mit auf den Heimweg geben will. Und sie glaubt, dass sie es sich selbst an diesem heißen August nachmittag andrehen lassen werden. In dieser Form konnte er sogar Eskimos Kühlschränke verkaufen, wie man so schön sagt … und Gott segne den Sprachen-Pool, der unser aller Trän ke ist, wie Scott zweifellos (wie schon oft) hinzufügen würde.
    »Aber wenn in dieser Dunkelheit jedes Buch ein kleines Licht ist – und daran glaube ich, daran muss ich glauben, abgedroschen oder nicht, denn ich schreibe solche verdamm ten Dinger, nicht wahr? –, dann ist jede Bibliothek ein groß artiges, nie erlöschendes Freudenfeuer, um das Tag und Nacht Zehntausende von Menschen stehen, um sich zu wärmen. Fahrenheit vierhunderteinundfünfzig ist da zu wenig. Ver sucht es mal mit viertausend Grad Fahrenheit, Leute, weil wir hier nicht von Küchenherden reden, sondern von großen alten Hochöfen des Gehirns, rot glühenden Schmelzöfen des Intellekts. Heute Nachmittag feiern wir das Anfachen eines weiteren Großfeuers dieser Art, und ich bin stolz darauf, daran teilzunehmen. Hier spucken wir der Vergesslichkeit ins Auge und treten der Unwissenheit in ihre verschrumpelten alten Cojones . He, Fotograf!«
    Stefan Queensland richtet sich lächelnd auf.
    Scott, der ebenfalls lächelt, sagt: »Machen Sie ein paar Auf nahmen. Ihr Redakteur wird sie vielleicht nicht nehmen, aber Sie werden sie in Ihrem Portfolio haben wollen, möchte ich wetten.«
    Scott hält den Zierspaten vor sich, als wollte er ihn erneut kreisen lassen. Die Menge lässt ein erwartungsvolles Murmeln hören, doch diesmal neckt er sie nur. Er lässt die linke Hand den Spatenstiel entlang nach unten gleiten, stößt das Blatt ins Erdreich, tritt darauf und lässt das heiße Glitzern im Boden verschwinden. Dann wirft er die kleine Portion Erde beiseite und ruft laut: »Ich erkläre die Baustelle der Shipman Library FÜR ERÖFFNET! «
    Der Beifall, der diesmal ausbricht, lässt den vorherigen Applaus wie das höfliche Klatschen bei einem Tennismatch an einer Privatschule klingen. Lisey weiß nicht, ob der junge Mr. Queensland den zeremoniellen ersten Spatenstich festge halten hat, aber als Scott den lächerlichen kleinen Silberspa ten wie ein Olympiasieger in die Höhe reckt, hält Queensland das ganz sicher fest, wobei er hinter seiner Kamera lacht. Scott behält diese Pose einen Augenblick lang bei (Lisey sieht zufällig zu Dashmiel hinüber und ertappt diesen Gentleman dabei, wie er, zu Mr. Eddington – Toneh – gewandt, die Augen verdreht), dann lässt er den Spaten sinken, hält ihn wie ein Gewehr schräg vor der Brust und grinst dabei. Auf Stirn und Wangen stehen kleine Schweißperlen. Der Beifall beginnt nachzulassen. Die Menge denkt, er wäre fertig. Lisey ist über zeugt, dass er erst im zweiten Gang ist.
    Sobald er weiß, dass sie ihn wieder hören können, sticht Scott eine weitere Ladung Erde heraus. »Diese ist für Wild Bill Yeats!«, ruft er laut. »Den irischen Spinner! Und die hier ist für Poe, auch als Baltimore-Eddie bekannt! Diese ist für Alfie Bester, und wenn Sie den nicht gelesen haben, sollten Sie sich schämen!« Seine Stimme klingt atemlos, und Lisey beginnt erneut, sich Sorgen um ihn zu machen. Es ist so heiß . Sie ver sucht sich zu erinnern, was er mittags gegessen hat – etwas Schweres oder etwas Leichtes?
    »Und diese …« Er stößt den Spaten in die inzwischen entstandene ansehnliche kleine Vertiefung und hält die letzte Schaufel Erde hoch. Seine Hemdbrust ist dunkel vom Schweiß. »Aufgepasst, warum denkt nicht jeder an den Verfasser seines ersten guten Buches? Ich rede von dem, das sich wie ein fliegender Teppich unter euch geschoben und euch entführt hat. Ihr wisst, was ich meine?«
    Sie wissen es. Das steht auf jedem der ihm zugewandten Gesichter.
    »Das eine, das ihr in einer vollkommenen Welt als Erstes ausleihen würdet, wenn die Shipman Library endlich ihre Türen öffnet. Diese Schaufel Erde hier ist für den Autor dieses Buchs.« Er kippt die Ladung Erde ab, dann wendet er sich Dashmiel zu, der mit