Love
applaudiert sofort, con brio . Die reizende Gattin applaudiert mit, patscht die Handflächen zusammen, sieht da bei Dashmiel an und denkt: Den NBA hat er für The Coaster’s
Daughter bekommen. Coaster, nicht Coster . Und ich bin sicher, das weißt du ganz genau. Du hast den Titel absichtlich ver murkst. Warum magst du ihn nicht, du kleinkarierter Wicht?
Dann blickt sie zufällig an ihm vorbei, und diesmal be merkt sie Gerd Allen Cole wirklich, der einfach so dasteht: mit dieser fabelhaften blonden Mähne, die ihm bis über die Augenbrauen hängt, und die Ärmel eines viel zu großen wei ßen Hemdes bis zu seinem schmächtigen Bizeps hochgerollt. Die Hemdschöße hängen über die Hose, baumeln bis fast zu den abgewetzten Knien seiner Jeans herab. An den Füßen trägt er Eisenbahnerstiefel mit seitlichen Schnallen. Sie sehen schrecklich heiß aus, findet Lisey. Statt zu applaudieren, hält Blondie seine Hände recht zimperlich gefaltet und hat ein gespenstisch süßes Lächeln auf den Lippen, die sich leicht bewegen, als würde er stumm beten. Sein Blick ist auf Scott gerichtet, verlässt ihn keine Sekunde lang. Lisey ordnet Blon die sofort richtig ein. Es gibt Kerle – fast immer sind es Kerle –, die sie für sich Scotts Deep Space Cowboys nennt. Deep Space Cowboys haben jede Menge zu erzählen. Sie wollen Scott am Arm packen und ihm erklären, dass sie die Geheim botschaften in seinen Büchern verstehen, dass sie wissen, dass seine Bücher in Wirklichkeit Führer zu Gott, Satan oder vielleicht zum Evangelium der Gnostiker sind. Das Thema der Deep Space Cowboys kann Scientology oder Numerologie oder (in einem Fall) Die Kosmischen Lügen von Brigham Young sein. Manchmal wollen sie über andere Welten reden. Vor zwei Jahren hatte ein Deep Space Cowboy die gesamte Strecke von Texas bis Maine per Anhalter zurückgelegt, um mit Scott über etwas zu reden, was er als Hinterlassenschaf ten bezeichnete. Ihre häufigsten Fundorte, sagte er, lägen auf unbewohnten Inseln der Südhalbkugel. Er sagte, er wisse, dass Scott in Relics darüber geschrieben habe. Er zeigte Scott die unterstrichenen Wörter, die das angeblich bewiesen. Der Kerl hatte Lisey sehr nervös gemacht – er legte eine gewisse starräugige Weggetretenheit an den Tag –, aber Scott hatte mit ihm geredet, ihm ein Bier spendiert, eine Zeit lang mit ihm über die Steinfiguren auf der Osterinsel diskutiert, ein paar seiner Broschüren entgegengenommen, dem Jungen ein signiertes Exemplar von Relics geschenkt und ihn beglückt weitergeschickt. Beglückt? Auf Wolke sieben schwebend. Hat Scott es ordentlich umgeschnallt, ist er umwerfend. Das ist das einzige passende Wort dafür.
Der Gedanke an tätliche Gewalt – dass Blondie vorhat, bei ihrem Mann den Mark David Chapman zu geben – kommt Lisey nicht. Das ist einfach nicht meine Denkweise, hätte sie sagen können. Mir hat nur nicht gefallen, wie seine Lippen sich bewegt haben.
Scott quittiert den Beifall – und ein paar wilde Rebellen-schreie – mit dem von Millionen von Schutzumschlägen be kannten Scott-Landon-Grinsen, während sein Fuß die ganze Zeit auf der Schulter des dämlichen Spatens bleibt, dessen Blatt langsam in der herangekarrten Erde versinkt. Von seiner Intuition geleitet (und seine Intuition irrt selten) lässt er den Applaus zehn bis fünfzehn Sekunden lang gewähren, dann winkt er ab. Und der Beifall verstummt. Schlagartig. Poff! Ziemlich cool, aber auch leicht gruselig.
Als er spricht, klingt seine Stimme nicht annähernd so laut wie die Dashmiels, doch Lisey weiß, dass sie selbst ohne Mikro fon oder batteriebetriebenen Handlautsprecher (deren Feh len an diesem Nachmittag vermutlich auf ein Versehen der Veranstalter zurückzuführen ist) bis in die letzten Reihen zu hören ist. Und die Menge strengt sich an, jedes Wort mitzube kommen. Eine Berühmtheit ist unter ihnen. Ein Denker und Schriftsteller. Er wird jetzt Perlen der Weisheit verstreuen.
Perlen vor die Säue, denkt Lisey. Noch dazu verschwitzte Säue. Aber hatte ihr Vater ihr nicht einmal erzählt, dass Schweine nicht schwitzten?
Ihr gegenüber streicht Blondie sich behutsam die zerzaus ten Haare aus der glatten weißen Stirn. Seine Hände sind so weiß wie seine Stirn, und Lisey denkt: Aha, ein Schwein chen, das viel zu Hause bleibt. Ein Stubenhockerschwein, und warum auch nicht? Er muss alle möglichen verrückten Ideen in sich aufnehmen.
Sie tritt von einem Bein aufs andere, und die Seide ihres Slips quietscht fast in
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