Love
Stock fällt und sich nur das Handgelenk bricht. Die Realität war Ralph.
»Ich verbinde Sie jetzt«, sagte Cassandra.
Ein doppeltes Klicken, dann fragte Hugh Alberness – ein sehr besorgter Hugh Alberness, der jedoch keine Panik erken nen ließ – lebhaft: »Mrs. Landon? Wo sind Sie?«
»Auf der Fahrt zum Haus meiner Schwester. In zwanzig Minuten sind wir dort.«
»Amanda ist bei Ihnen?«
»Ja.« Lisey hatte beschlossen, nur auf seine Fragen zu ant worten. Ein Teil ihres Ichs war ziemlich gespannt, was er fra gen würde.
»Mrs. Landon …«
»Lisey.«
»Lisey, heute Nachmittag gibt es in Greenlawn einige sehr besorgte Leute. Dazu gehören vor allem Dr. Stein, der Arzt vom Dienst, Schwester Burrell, die für den Ackley-Flügel ver antwortlich ist, und Josh Phelan, der Leiter unseres kleinen, aber gewöhnlich sehr kompetenten Sicherheitsdiensts.«
Lisey erkannte, dass dies eine Frage – Was haben Sie ge macht? –, aber auch eine Anschuldigung war – Sie haben einigen Leuten einen höllischen Schrecken eingejagt! –, und hielt es für besser, darauf einzugehen. Ganz kurz. Es würde nur allzu leicht sein, eine Grube zu graben, in die sie selbst hineinfiel.
»Äh, ja. Das tut mir leid. Sehr sogar. Aber Amanda wollte weg, es war ihr ganz dringend damit, und sie wollte auch unbedingt, dass ich niemanden in Greenlawn anrufe, bis wir weit genug weg sind. Unter den Umständen hielt ich es für besser, auf ihre Wünsche einzugehen. Es war eine Ermessens entscheidung.«
Amanda reckte nachdrücklich beide Daumen hoch, aber sie durfte sich nicht ablenken lassen. Dr. Alberness mochte ein glühender Fan der Romane ihres Mannes sein, aber Lisey be zweifelte nicht im Geringsten, dass er sich auch ausgezeich net darauf verstand, Leuten Dinge zu entlocken, die sie nie mals hatten preisgeben wollen.
Doch Alberness' Stimme klang nun ganz aufgeregt. »Mrs. Landon … Lisey … zeigt Ihre Schwester wieder Reaktionen? Ist sie klar und reagiert?«
»Hören heißt glauben«, sagte Lisey und gab das Handy an Amanda weiter. Ihre Schwester machte ein besorgtes Gesicht, nahm das Telefon aber trotzdem entgegen.
Sei vorsichtig, sagte Lisey nur mit den Lippen.
1O »Hallo, Dr. Alberness?« Amanda sprach langsam und vorsichtig, aber deutlich. »Ja, ich bin's.« Sie hörte zu. »Aman da Debusher, richtig.« Sie hörte zu. »Mein zweiter Vorname ist Georgette.« Hörte zu. »Juli 1946. Was bedeutet, dass ich knapp sechzig bin.« Hörte zu. »Ich habe ein Kind, eine Tochter namens Intermezzo, kurz Metzie genannt.« Hörte zu. »George
W. Bush, so bedauerlich das ist – ich bin überzeugt, der Mann hat einen Gott-Komplex, der mindestens so gefährlich ist wie der seiner erklärten Feinde.« Hörte zu. Schüttelte kaum merk lich den Kopf. »Ich … ich kann jetzt unmöglich auf das alles eingehen, Dr. Alberness. Hier ist wieder Lisey.« Als sie das Handy zurückgab, bettelte ihr Blick um eine gute Kritik … oder wenigstens um ein Ausreichend. Lisey nickte nachdrück lich. Amanda sank in ihren Sitz zurück wie eine Frau, die ge rade einen Hundertmeterlauf bestritten hatte.
»… noch da?«, quäkte das Handy, als Lisey es wieder ans Ohr hob.
»Ich bin's, Dr. Alberness, Lisey.«
»Lisey, was ist passiert?«
»Ich habe nur Zeit für die Kurzfassung, Dr. …«
»Hugh. Bitte. Hugh.«
Lisey hatte kerzengerade am Steuer gesessen. Nun gestatte te sie sich, ins behagliche Leder des Fahrersitzes zurückzusin ken. Er hatte sie aufgefordert, ihn Hugh zu nennen. Sie waren wieder Freunde. Sie würde sich weiter vorsehen müssen, aber das Schlimmste lag vermutlich hinter ihr.
»Ich habe sie besucht – wir waren auf ihrer Veranda –, da ist sie einfach wieder zu sich gekommen.«
Hinkend und ohne ihr Halsband, aber ansonsten putzmun ter, dachte Lisey und musste gewaltsam ein verrücktes wie herndes Lachen unterdrücken. Jenseits des Sees zuckten grel le Blitze herab. Ihr Kopf fühlte sich ähnlich an.
»So was habe ich noch nie gehört«, sagte Hugh Alberness. Das war keine Frage, deshalb blieb Lisey stumm. »Und wie haben Sie es geschafft … äh … hier rauszukommen?«
»Wie bitte?«
»Wie sind Sie an der Rezeption im Ackley-Flügel vorbei gekommen? Wer hat den Türöffner für Sie betätigt?«
Die Realität ist Ralph, erinnerte Lisey sich. Sie achtete darauf, dass sie nur leicht verwirrt klang, als sie antwortete: »Niemand hat uns gebeten, dass wir uns austragen oder irgendwas – anscheinend waren alle sehr beschäftigt. Wir sind
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