Love
der Be trachtung des Regenbogens. Manda fragte bei der Auskunft nach der Nummer von Greenlawn und schrieb sie dann mit der Fingerspitze auf die Windschutzscheibe, die am unte ren Rand wieder beschlug, seit Lisey den Motor abgestellt hatte.
»Die Nummer bleibt dort, selbst wenn die Scheibe sonst wieder vollkommen klar ist, musst du wissen«, erklärte Lisey ihr, als Amanda das Gespräch beendete. »Das geht nur mit Windex weg. In der Mittelkonsole habe ich einen Kugel schreiber – warum hast du nicht danach gefragt?«
»Weil ich katatonisch bin«, erwiderte Amanda und hielt ihr
das Handy hin.
Lisey sah es nur an. »Wen soll ich anrufen?«
»Als ob du das nicht wüsstest.«
»Amanda …«
»Es muss sein, Lisey. Ich habe keine Ahnung, mit wem ich reden müsste; ich weiß nicht mal, wie du mich da reinge bracht hast.« Amanda schwieg einen Augenblick, trommelte mit den Fingern einer Hand auf ihr Schlafanzugbein. Das Wolkenloch hatte sich geschlossen, draußen war es wieder finster, und der Regenbogen hätte ein Traum gewesen sein können. »Quatsch, natürlich weiß ich das«, sagte sie schließ lich. »Nur dass es nicht du warst, sondern Scott. Er hat irgend wie vorgesorgt. Hat mir einen Platz reserviert.«
Lisey nickte stumm. Sie traute sich nicht, etwas zu sagen.
»Aber wann? Als ich mich letztes Mal selbst verletzt hatte? Nachdem wir uns zuletzt in Südwind begegnet waren? Das er Boonja-Mond genannt hat?«
Lisey machte sich nicht erst die Mühe, sie zu verbessern. »Ja. Er hat Dr. Hugh Alberness, den Chefarzt von Greenlawn, für sich eingenommen. Nach einem Blick in deine Kranken akte hat Alberness ihm zugestimmt, dass du rückfallgefähr det warst, und als du dieses Mal ausgeflippt bist, hat er dich untersucht und sofort aufgenommen. Daran kannst du dich nicht erinnern? Überhaupt nicht?«
»Nein.«
Lisey griff nach dem Handy und sah auf die Nummer auf der teilweise beschlagenen Scheibe. »Ich habe keine Ahnung, was ich ihm erzählen soll, Manda.«
»Was hätte Scott ihm erzählt, Kleine?«
Kleine . Da war es wieder. Ein weiterer Schauer, kräftig, aber nicht länger als zwanzig Sekunden, trommelte aufs Dach des Wagens, und während es dröhnte, dachte Lisey an all die Vor trags- und Lesereisen zurück, auf denen sie Scott begleitet hatte: seine Gigs, wie er sie genannt hatte. Von einer wichti gen Ausnahme abgesehen – Nashville im Jahr 1988 –, kam es ihr so vor, als hätte sie sich immer gut amüsiert, und warum auch nicht? Er erzählte ihnen, was sie hören wollten; ihr Job war nur gewesen, zu lächeln und an den richtigen Stellen zu applaudieren. Oh, und manchmal musste sie Danke hauchen, wenn sie in der Begrüßung erwähnt wurde. Manchmal bekam er Dinge geschenkt – Erinnerungsstücke, Souvenirs –, die er ihr in die Hand drückte, und sie musste sie für ihn halten. Manchmal fotografierten die Leute, und manchmal gab es Leute wie Tony Eddington – Toneh –, deren Job es war, dar über zu schreiben, und manchmal erwähnten sie sie und manchmal nicht, und manchmal schrieben sie ihren Vornamen falsch und manchmal nicht, und einmal war sie als Scott Landons Gefährtin bezeichnet worden, und das war okay, alles war okay, weil sie sich nicht darüber aufregte, sie konn te gut den Mund halten, aber sie glich nicht dem kleinen Mädchen in der Kurzgeschichte von Saki, Improvisation war ganz entschieden nicht ihre Spezialität, und …
»Hör zu, Amanda, wenn du denkst, ich könnte Scott her aufbeschwören, um mir von ihm helfen zu lassen, irrst du dich. Ich hab echt keine Ahnung, was ich sagen soll. Warum rufst du Dr. Alberness nicht einfach selbst an und sagst ihm, dass du wieder gesund bist?« Während sie das sagte, versuch te Lisey, ihr das Handy zurückzugeben.
Amanda hob ihre verletzten Hände abwehrend vor die Brust. »Das würde nicht funktionieren, egal, was ich sage. Ich bin ver rückt . Du dagegen bist nicht nur richtig im Kopf, sondern auch die Witwe des berühmten Schriftstellers. Also musst du anru fen, Lisey. Schaff uns Dr. Alberness vom Hals. Und zwar sofort.«
9 Lisey tippte die Nummer ein, und was dann folgte, hatte zu Beginn fast zu viel Ähnlichkeit mit dem Telefonge spräch, das sie an ihrem langen, langen Donnerstag geführt hatte – an jenem Tag, an dem sie angefangen hatte, den Bool-Stationen zu folgen. Am anderen Ende meldete sich erneut Cassandra, und Lisey erkannte die einschläfernde Musik wie der, als sie in die Warteschleife verbannt wurde, doch diesmal wirkte
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