Love
einfach rausgegangen.«
»Was war mit der Tür?«
»Die war offen«, sagte Lisey.
»Verdammt, ich werde …«, sagte Alberness, dann sprach er bewusst nicht weiter.
Lisey wartete auf mehr. Sie wusste ziemlich sicher, dass noch mehr kommen würde.
»Die Schwestern haben einen Schlüsselring, ein Schlüssel etui und ein Paar Hausschuhe gefunden. Und Turnschuhe mit Socken darin.«
Ihr Schlüsselring brachte Lisey kurzzeitig in Erklärungsnot. Sie hatte noch gar nicht bemerkt, dass auch ihre übrigen Schlüssel fehlten, und es war vermutlich besser, wenn Dr. Alberness das nicht erfuhr. »Ich habe immer einen Reserve schlüssel für meinen Wagen in einem Magnetsafe unter der Stoßstange. Und was den Ring mit den Schlüsseln betrifft …« Lisey versuchte, halbwegs echt zu lachen. Sie wusste nicht, ob ihr das gelang, aber zumindest erblasste Amanda nicht merk lich. »Den hätte ich schon gern wieder. Sie lassen sie für mich aufbewahren, nicht wahr?«
»Natürlich, aber wir müssen Miss Debusher noch mal sehen. Es gibt bestimmte Regeln einzuhalten, wenn Sie möchten, dass sie in Ihre Obhut entlassen wird.« Dr. Alberness' Stimme ließ erkennen, dass er das für eine schreckliche Idee hielt, aber sie klang nicht fragend. Lisey wartete, so schwer ihr das auch fiel. Hinter dem Castle Lake hatte der Himmel sich erneut verfinstert. Ein weiterer Regenschauer zog heran. Lisey wollte dieses Gespräch gern beenden, bevor er sie erreicht hatte, aber sie wartete trotzdem noch. Sie hatte das Gefühl, dass Alberness und sie am kritischen Punkt angelangt waren.
»Lisey«, sagte er schließlich, »weshalb haben Ihre Schwester und Sie Ihre Schuhe zurückgelassen?«
Die Realität ist Ralph, dachte Lisey wieder, dann antworte te sie: »Das weiß ich selbst nicht recht. Amanda wollte, dass wir sofort gehen, dass wir barfuß gehen und dass ich meine Schlüssel dalasse …«
»Was die Schlüssel angeht, hat sie sich vielleicht Sorgen wegen des Metalldetektors gemacht«, sagte Alberness. »Ob wohl, wenn ich ihren Zustand bedenke, es überrascht mich, dass sie überhaupt … unerheblich, reden Sie weiter.«
Lisey sah von dem heranziehenden Regenschauer weg, der jetzt die Hügel hinter dem Castle Lake verdeckte. »Manda, weißt du noch, warum du wolltest, dass wir barfuß losziehen?«, fragte sie und kippte das Handy in ihre Richtung.
»Nein«, sagte Amanda laut, dann ergänzte sie: »Ich weiß nur, dass ich das Gras, das sinnliche Gras unter den Füßen spüren wollte.«
»Haben Sie das mitbekommen?«, fragte Lisey Alberness.
»Irgendwas mit Gras, das sie spüren wollte?«
»Ja, aber das war bestimmt nicht alles. Sie hat wirklich dar auf bestanden.«
»Und Sie haben alles getan, was sie wollte?«
»Sie ist meine ältere Schwester, Hugh – sogar meine älteste Schwester. Außerdem muss ich zugeben, dass ich über ihre zurückgewonnene Klarheit zu aufgeregt war, um besonders logisch zu denken.«
»Aber ich – wir – müssen sie unbedingt noch einmal unter suchen, um sicherzugehen, dass sie wirklich genesen ist.«
»Wär's in Ordnung, wenn ich sie morgen zur Untersuchung vorbeibringe?«
Amanda schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Haare flo gen, und riss ängstlich die Augen auf. Lisey begann mit glei chem Nachdruck zu nicken.
»Das wäre mir sehr recht«, sagte Alberness. Lisey hörte die Erleichterung in seiner Stimme, wirkliche Erleichterung, bei der sich ihr schlechtes Gewissen regte, weil sie ihn belogen hatte. Manche Dinge mussten jedoch sein, sobald man es richtig und eng umgeschnallt hatte. »Ich könnte morgen ge gen vierzehn Uhr in Greenlawn sein und selbst mit Ihnen bei den sprechen. Würde das passen?«
»Das wäre wunderbar.« Wenn wir morgen Nachmittag noch leben .
»Gut, dann bis morgen um zwei. Lisey, könnten Sie …« In diesem Augenblick zuckte aus den schwarzen Wolken ein grellweißer Blitzstrahl herab und schlug direkt jenseits der Straße ein. Lisey hörte sein schmetterndes Krachen; sie hatte Ozon- und Brandgeruch in der Nase. So dicht bei ihr hatte noch nie ein Blitz eingeschlagen. Amanda kreischte, aber das ging fast völlig in dem ohrenbetäubenden Donnergrollen unter.
»Was war das?«, rief Alberness. Lisey fand, dass die Verbin dung unverändert gut war, aber der Arzt, den ihr Mann vor fünf Jahren um Amandas willen so eifrig hofiert hatte, schien plötzlich sehr weit entfernt und unbedeutend zu sein.
»Blitz und Donner«, sagte sie ruhig. »Wir haben hier ein ziemliches Gewitter.«
»Sie
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