Love
wieder, wie mich die Kälte meines Zimmers umgibt. Im nächsten Augenblick bringt mich der unter meinem Bett aufgewirbelte Staub zum Niesen. Ich bäume mich auf, mein Gesicht ist zu einer fast grausigen Fratze verzerrt, als ich so lautlos wie möglich zu niesen versuche, und pralle mit der Stirn an eine losgerissene Sprungfeder. Hätte die Pickelspitze noch im Bett gesteckt, hätte ich mir eine Platzwunde zuziehen oder sogar ein Auge verlieren können, aber sie ist verschwunden.
Ich schiebe mich auf Ellbogen und Knien unter dem Bett hervor und nehme dabei das blasse Fünf-Uhr-Licht wahr, das durch die Fenster fällt. Dem Geräusch nach graupelt es draußen stärker als je zuvor, aber ich achte kaum darauf. Ich drehe auf dem Fußboden liegend den Kopf und betrachte verständnislos das Trümmerfeld, in das mein Zimmer sich ver wandelt hat. Die Kleiderschranktür ist aus der oberen Angel gerissen und hängt wie betrunken an der unteren in den Raum. Meine Kleidungsstücke sind überall verstreut, und viele von ihnen – anscheinend die meisten – sind zerfetzt, als hätte das Ding in Daddy ihnen angetan, was es dem Jungen, der in ihnen hätte stecken sollen, nicht antun konnte. Viel schlimmer ist jedoch, dass es meine wenigen kostbaren Taschenbücher – vor allem Sportlerbiografien und Science-Fiction-Romane – in Fetzen gerissen hat. Schnipsel ihrer dünnen Umschläge liegen überall herum. Mein Schreibtisch ist umgekippt, der Schubladeninhalt in alle Winde verstreut. Das Loch, das die Spitzhacke in meine Matratze geschlagen hat, erscheint mir groß wie ein Mondkrater, und ich denke: Dort wäre dein Bauch gewesen, wenn du im Bett gelegen hättest. Und ich nehme einen leicht säuerlichen Geruch wahr. Er erinnert mich daran, wie Boo’ya-Mond nachts gerochen hat, ist aber vertrauter. Ich versuche ihn zu benennen, schaff es aber nicht. Mir fallen dabei nur saure Früchte ein, und obwohl das nicht ganz zutrifft, wird sich zeigen, dass es der Wahrheit ziemlich nahekommt.
Ich will mein Zimmer nicht verlassen, aber ich weiß, dass ich hier nicht bleiben darf, weil er bestimmt irgendwann zurückkommt. Ich finde eine Jeans, die nicht zerrissen ist, und ziehe sie an. Meine Turnschuhe sind spurlos verschwunden, aber vielleicht stehen meine Stiefel noch unten im Schmutzraum. Und dort hängt sicher auch meine Jacke. Ich werde mich anziehen und in den Graupelschauer hinauslaufen. Mr. Halseys halb gefrorenen Fahrspuren die Einfahrt zur Straße hinunter folgen. Dann die Straße entlang zu Mulie’s Store. Ich werde um mein Leben rennen – in eine Zukunft, die ich mir nicht einmal vorstellen kann. Das heißt, wenn er mich nicht vorher erwischt und umbringt.
Um hinaus ins Treppenhaus zu gelangen, muss ich über den Schreib tisch klettern, der die offene Tür blockiert. Draußen sehe ich, dass er alle Bilder zertrümmert und Löcher in die Wände geschlagen hat, und weiß, dass dies weitere Spuren seines wilden Zorns sind, darüber, dass er mir nichts anhaben konnte.
Hier draußen ist der saure Fruchtgeruch so stark, dass ich ihn erken ne. Auch letztes Jahr hat es bei U.S. Gyppum wieder eine Weihnachts feier gegeben. Daddy ist hingegangen, weil es »komisch aussieht«, wenn er sich nicht blicken lässt. Bei der üblichen Tombola hat er eine Korbfla sche mit selbst gemachtem Brombeerwein gewonnen. Andrew Landon mag jede Menge Probleme haben (und würde man ihn in einem freimütigen Augenblick erwischen, wäre er vermutlich der Erste, der das zugeben wür de), aber Alkohol gehört nicht dazu. Eines Abends schenkte er sich vor dem Essen ein ehemaliges Marmeladenglas von diesem Wein ein – zwi schen Weihnachten und Neujahr war das, während Paul im Keller ange kettet war –, probierte einen kleinen Schluck, verzog das Gesicht, wollte das Zeug in den Ausguss kippen, sah dann meinen fragenden Blick und hielt mir das Glas hin.
Willst du ’s mal versuchen, Scott? , fragte er. Selbst feststellen, um was so viel Getue gemacht wird? He, wenn’s dir schmeckt, kannst du die ganze verdammte Flasche haben.
Was Alkohol betraf, war ich vermutlich so neugierig wie jeder kleine Junge, aber dieser Geruch war zu fruchtig-säuerlich. Vielleicht machte es einen glücklich, wie im Fernsehen behauptet wurde, aber diesen abge standenen Fruchtgeruch könnte ich nie ertragen. Ich schüttelte den Kopf.
Du bist ein kluges Bürschchen, Scooter, oller Scoot , sagte er und kippte den Glasinhalt in den Ausguss. Aber er muss den Rest der Korb flasche
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