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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wort, sondern kommt nur ans Bett und bleibt davor stehen. Ich denke, dass er sich vielleicht wie letztes Mal auf die Bett-kante setzen wird, aber das tut er nicht. Stattdessen höre ich die Art Grunzen, die er manchmal ausstößt, wenn er etwas Schweres hebt, eine Kiste oder irgendwas, und er verlagert sein Gewicht dabei nach vorn, und ich höre etwas durch die Luft pfeifen, dann folgt ein gewaltiges SPUH RUNNGGG , und die Matratze und die Sprungfedern beulen sich in der Mitte nach unten aus, und vom Fußboden wird Staub aufgewirbelt, und die Spitze des Pickels aus dem Schuppen kommt durch Matratze und Federn meines Betts geschossen. Sie verlangsamt ihre Bewegung vor meinem Gesicht und macht keine zwei Fingerbreit von meinem Mund entfernt halt. Ich habe den Eindruck, jede einzelne Flocke Rost daran sehen zu können – auch den blanken Kratzer, den eine der Sprungfedern hinterlas sen hat. Die Spitzhacke bleibt ein paar Sekunden lang unbeweglich, dann sind wieder ein Grunzen und schmerzhafte Quietschlaute zu hören, als er versucht, die Hacke rauszuziehen. Er müht sich ab, aber sie sitzt wirklich gut fest. Ihre Spitze wackelt vor meinem Gesicht hin und her, und dann gibt er seine Bemühungen plötzlich auf. Ich sehe seine Finger unterhalb der Bettkante auftauchen und weiß, dass er die Handflächen auf die Kniescheiben gelegt hat. Er ist dabei, sich zu bücken, und will unters Bett sehen, um sich davon zu überzeugen, dass ich darunter bin, bevor er sich weiter bemüht, die Spitzhacke freizubekommen.
    Ich denke nicht nach. Ich schließe nur die Augen und gehe . Dies ist das erste Mal, seit ich Paul beerdigt habe, und das erste Mal aus dem Obergeschoss. Ich werde fallen – für diese Überlegung bleibt mir nur eine Sekunde Zeit, aber das ist mir egal, denn alles ist besser, als unter dem Bett versteckt zu erleben, wie der Fremde, der das Gesicht meines Daddys trägt, darunter nachsieht und mich in die Enge getrieben hilflos zurückstarren sieht; alles ist besser, als den bösmülligen Fremden zu sehen, der jetzt Besitz von ihm ergriffen hat.
    Und ich falle wirklich, aber nicht sehr tief, kaum einen Meter, und das auch nur, denke ich, weil ich geglaubt habe, dass ich fallen werde. So vie les an Boo’ya-Mond beruht auf einfachem Glauben; dort ist sehen wirklich glauben, zumindest manchmal … und solange man nicht zu weit in die Wälder eindringt und sich verläuft.
    Dort war es Nacht, Lisey, und ich erinnere mich gut an sie, weil dies das einzige Mal war, dass ich absichtlich nachts hinübergegangen bin.
    15 »O Scott«, sagte Lisey und fuhr sich mit dem Hand rücken über die Augen. Immer wenn er die Gegenwartsform verließ und sie direkt ansprach, war es wie ein Schlag, schmeck te aber trotzdem süß. »Oh, du tust mir so leid.« Sie sah nach, wie viele Seiten noch übrig waren – nicht viele. Acht? Nein, zehn. Sie beugte sich wieder darüber und legte jede gelesene Seite auf dem wachsenden Stapel auf ihrem Schoß ab.
    16 Ich verlasse ein kaltes Zimmer, in dem ein Ding, das die Haut meines Vaters trägt, mich zu ermorden versucht, und setze mich in einer Sommernacht weicher als Samt neben dem Grab meines Bruders auf. Der Mond hängt wie ein angelaufener Silberdollar am Himmel, und tief im Märchenwald lachen die Lacher. Gelegentlich lässt etwas anderes – ein Lebewesen tiefer im Wald, denke ich – ein lautes Brüllen hören. Dann verstummen die Lacher für einige Zeit, aber was auch immer sie so amü siert, ist anscheinend irgendwann mehr, als sie schweigend ertragen kön nen, denn sie fangen alle wieder damit an – erst einer, dann zwei, dann ein halbes Dutzend, dann die gesamte verdammte Lachakademie. Etwas, was zu groß ist, um ein Habicht oder eine Eule zu sein, segelt lautlos vor der Mondscheibe vorbei: irgendein nachts jagender Raubvogel, vermute ich, den es nur hier, nur in Boo’ya-Mond gibt. Ich nehme all die Düfte wahr, die Paul und ich so geliebt haben, aber jetzt riechen sie sauer und verdorben und irgendwie bettpissig, als könnten sie, wenn man sie zu tief einatmet, weit oben in der Nase Krallen entwickeln und sich dort festset zen. Unten am Fuß des Purpurhügels sehe ich Leuchtquallen vorbeitrei ben. Ich weiß nicht, was sie sind, aber sie sind mir nicht geheuer. Wür den sie mich berühren, könnten sie sich an mir festsaugen, befürchte ich, oder vielleicht zerplatzen und brennende Stellen hinterlassen, die sich wie Gift-Efeu ausbreiten würden, wenn man sie berührt.
    An Pauls Grab ist es

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