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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kommt sich da bei sehr überlegen vor – andere Leute lassen sich vielleicht von den Getränkefirmen austricksen, indem sie für ein halb mit Eis verdünntes Erfrischungsgetränk bezahlen … nicht jedoch Dave Debushers Nesthäkchen Lisa. Was hat der alte Dandy immer gesagt? Ich bin schließlich nicht gestern vom Heuwagen gefallen! Und jetzt wünscht sie sich sogar noch mehr Eis, noch weniger Cola … obwohl sie nicht glaubt, dass das einen großen Unterschied machen wird. Doch in diesem Punkt steht ihr eine Überraschung bevor.
    »Hier, Scott. Eis.«
    Seine Augen sind jetzt halb geschlossen, aber er öffnet den Mund, und als sie ihm erst die Lippen mit der Handvoll Eis ein reibt und dann einen der schmelzenden Splitter auf seine blu tige Zunge legt, hört das Zittern plötzlich auf. Gott, das grenzt an ein Wunder! Allmählich kühner, fährt sie ihm mit ihren kalten Fingern, zwischen denen Eiswasser heraustropft, über die rechte Wange, die linke Wange und zuletzt die Stirn, sodass Tropfen bräunlichen Colawassers in seinen Augenbrauen ver sickern und auf beiden Seiten der Nase hinunterlaufen.
    »O Lisey, das ist himmlisch«, sagt er, und obwohl seine Stimme noch immer lächerlich hoch ist, klingt sie in ihren Ohren wacher … irgendwie bewusster . Der Krankenwagen ist mit ersterbender Sirene links neben der Menge vorgefahren, und nur wenige Sekunden später kann sie eine ungedul dige Männerstimme rufen hören: »Sanitäter! Lasst uns durch! Sanitäter, kommt schon, Leute, lasst uns durch, damit wir un sere Arbeit tun können, okay?«
    Dashmiel, Mr. Southern Fried Chickenshit, wählt diesen Augenblick, um in Liseys Ohr zu flüstern. Angesichts der Ge schwindigkeit, mit der er geflüchtet ist, bringt die Besorgnis in seiner Stimme sie fast dazu, mit den Zähnen zu knirschen. »Wie geht's ihm, meine Liebe?«
    Ohne sich umzudrehen, antwortet sie: »Er versucht am Le ben zu bleiben.«
    »Versucht am Leben zu bleiben«, murmelte sie und fuhr mit einer Handfläche über die Hochglanzseite in der U-TENN NASHVILLE 1988 REVIEW . Über das Bild von Scott, wie er einen Fuß auf diesem dämlichen silbernen Spaten stellt. Sie schloss das Buch mit einem Knall und warf es wieder auf den staubigen Rücken der Bücherschlange. Ihr Appetit auf Fotos – auf Erinnerungen – war für einen Tag mehr als gestillt. Hinter ihrem rechten Auge hatte sich ein hässlicher pochender Kopf schmerz eingenistet. Sie wollte etwas dagegen einnehmen, aber kein Allerweltsmittel wie Tylenol, sondern etwas, was ihr verstorbener Ehemann »Kopfnüsse« genannt hatte. Ein paar von seinen Excedrin wären genau richtig, falls ihr Verfalls datum nicht schon zu weit zurücklag. Danach ab ins Schlaf zimmer, bis die heraufziehenden Kopfschmerzen abklangen. Vielleicht konnte sie sogar ein bisschen schlafen.
    Ich sehe es noch immer als unser Schlafzimmer, dachte sie auf dem Weg zu der Treppe, die in die Scheune hinunterführ te, die in Wirklichkeit keine Scheune mehr war, sondern ein großer Raum mit zahlreichen Lagerabteilen … allerdings wei terhin mit dem Geruch nach Heu und Hanfseilen und Trak torenöl, den alten lieblich-hartnäckigen Farmgerüchen. Noch heute, auch nach zwei Jahren noch.
    Und wenn schon? Was ist dabei?
    Sie zuckte mit den Schultern. »Nichts, nehme ich an.«
    Der gemurmelte, halb trunkene Klang der Worte schockier te sie ein wenig. All die lebhaften Erinnerungen mussten sie erschöpft haben, vermutete sie. Der ganze nochmals durchlit tene Stress. Für eines konnte sie jedoch dankbar sein: Kein anderes Foto von Scott im Bauch der Bücherschlange konnte ähnlich heftige Erinnerungen wachrufen; er war nur einmal angeschossen worden, und keine andere Hochschule wäre auf die Idee gekommen, ihm Fotos von dem Att…
    (pst, nicht davon reden!)
    »Genau«, bestätigte sie sich, als sie den Fuß der Treppe erreichte, ohne recht zu wissen, auf was für ein gefährliches Gebiet
    (du alter Scott, fort mit dir)
    sie sich fast begeben hätte. Sie ließ den Kopf hängen und fühlte sich am ganzen Körper in Schweiß gebadet wie je mand, der soeben knapp einem Verkehrsunfall entgangen ist. »Halt die Klappe, genug ist genug.«
    Und als ob ihre Stimme es aktiviert hätte, begann das Telefon hinter der geschlossenen Holztür rechts von ihr zu klin geln. Lisey blieb auf dem breiten Mittelgang der ehemaligen Scheune stehen. Diese Tür hatte früher in einen Stallbereich mit Boxen für drei Pferde geführt. Jetzt hing ein Schild VORSICHT HOCHSPANNUNG! daran.

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