Love
hat.
Scott, dessen Augen weiterhin so fiebrig in ihren immer dunkler werdenden Höhlen leuchten, zupft wieder an ihrem blauen Seidentop. Er will etwas sagen, deshalb beugt sie sich – widerstrebend – zu ihm hinab, um es zu hören. Er holt immer nur kurz keuchend ein klein wenig Luft – ein geräuschvoller, beängstigender Vorgang. Aus der Nähe ist der Blutgeruch noch stärker. Widerlich. Ein mineralischer Geruch.
Das ist der Tod. Der Geruch des Todes.
Wie als Bestätigung dafür krächzt Scott: »Es ist ganz in der Nähe, Schatz. Ich kann's nicht sehen, aber ich …« Wieder ein langes pfeifendes Atemholen. »Ich höre es fressen. Und da bei grunzen.« Während er das sagt, lächelt er sein blutiges Clownslächeln.
»Scott, ich weiß nicht, wovon du redest …«
Die Hand, die an ihrem Top gezupft hat, besitzt doch noch etwas Kraft. Sie zwickt Lisey brutal in die Seite – als sie das Top später in ihrem Motelzimmer auszieht, wird sie einen Bluterguss entdecken, einen richtigen Knutschfleck.
»Du …« Pfeifendes Atemholen. »Weißt es …« Noch ein pfei fender Atemzug, diesmal tiefer. Weiter dieses Grinsen, als teilten sie irgendein schauriges Geheimnis. Ein purpurrotes Geheimnis von der Farbe bestimmter Blumen, die auf be stimmten Hügeln
(schweig Lisey o schweig doch)
ja, auf bestimmten Hügeln wachsen. »Du … weißt es, also … beleidige … meinen Verstand … nicht.« Wieder ein pfeifendes, rasselndes Atemholen. »Oder deinen eigenen.«
Und sie weiß wohl wirklich, wovon er spricht. Von dem Long Boy, wie er ihn nennt. Oder von diesem Ding mit der endlosen gescheckten, changierenden Seite. Das Wort chan gierend wollte sie unbedingt mal nachschlagen, hatte es dann aber doch vergessen – Dinge zu vergessen ist ein Talent, das sie in den Jahren, seit sie Scott kennt, zur Perfektion entwi ckeln musste. Aber sie weiß, wovon er redet, ja.
Er lässt sie los oder hat vielleicht einfach nicht mehr die Kraft, sie festzuhalten. Lisey weicht ein wenig zurück – nicht weit. Seine Augen beobachten sie aus ihren tiefen, dunkler werdenden Höhlen. Die Augen glänzen wie immer, aber sie sieht in ihnen auch das Entsetzen und (das ängstigt sie am meisten) irgendeine erbärmliche, unerklärliche Belustigung. Weiterhin sehr leise – vielleicht damit nur sie ihn hört, viel leicht weil er nicht lauter sprechen kann – sagt Scott jetzt: »Pass auf, kleine Lisey. Ich mache dir vor, wie es klingt, wenn es sich umsieht.«
»Scott, nein … hör auf damit!«
Er achtet nicht auf sie. Er holt nochmals pfeifend Luft, spitzt die feuchten roten Lippen zu einem engen O und stößt ein halblautes, unglaublich widerwärtiges Puffen aus. Es treibt einen feinen Blutnebel durch seine verengte Kehle nach oben und lässt ihn in die schwülheiße Luft aufsteigen. Eine junge Frau sieht das und kreischt laut. Diesmal braucht die Menge keine Aufforderung des Campus-Cops, etwas weiter zurück zutreten; sie weicht freiwillig einen Schritt zurück, sodass Lisey, Scott und Captain Heffernan nun zu allen Seiten einen guten Meter Platz haben.
Dieser Laut – du lieber Himmel, eigentlich ist es eine Art Grunzen – dauert barmherzigerweise nicht lange. Scott hus tet, wobei seine Brust krampfhaft zuckt und die Schusswunde rhythmisch pulsierend Blut ausstößt, dann winkt er sie mit einem Finger zu sich herab. Sie neigt sich über ihn, stützt sich auf ihre brennenden Hände. Seine tief in den Höhlen liegen den Augen zwingen sie dazu, ebenso wie sein Todesgrinsen.
Scott dreht den Kopf zur Seite, spuckt einen Klumpen halb geronnenes Blut auf den heißen Asphalt und wendet sich wie der ihr zu. »So könnte … ich ihn rufen«, flüstert er. »Er würde kommen. Dann … wärst du … mein endloses … Quaken los.«
Sie versteht, was er meint, und hält es in diesem Moment (das muss an der Suggestivkraft seines Blickes liegen) für wahr. Er wird diesen Laut wiederholen, nur etwas kräftiger, und in irgendeiner anderen Welt wird der Long Boy, dieser Herr der schlaflosen Nächte, sein grausiges hungriges Haupt erheben. Im nächsten Augenblick wird Scott Landon in dieser Welt einfach auf dem Asphalt erzittern und sterben. Auf dem Totenschein wird irgendein vernünftiger Grund stehen, aber sie wird die wahre Todesursache kennen: dieses finstere Un geheuer hat ihn endlich gesehen und sich auf ihn gestürzt und ihn bei lebendigem Leibe aufgefressen.
So folgen nun die Dinge, über die sie später nie sprechen werden – weder vor anderen noch
Weitere Kostenlose Bücher