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Love

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Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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untereinander. Zu grau sig. Jede Ehe hat zwei Herzen, ein helles und ein dunk les. Dies ist das dunkle Herz ihrer Ehe, das eine verrückte, wahre Geheimnis. Sie beugt sich auf dem glutheißen Asphalt über ihn, glaubt zu wissen, dass er im Sterben liegt, und ist trotzdem entschlossen, ihn nach Kräften am Leben zu er halten. Falls das bedeutet, dass sie den Long Boy von ihm abwehren muss – notfalls mit ihren Fingernägeln –, wird sie es tun.
    »Nun … Lisey?« Noch einmal dieses widerliche, wissende, schreckliche Lächeln. »Was … hältst … du … davon?«
    Sie beugt sich noch tiefer über ihn. Mitten hinein in seinen zitternden Blut-und-Schweiß-Gestank. Beugt sich hinunter, bis sie einen letzten blassen Hauch von dem Prell Shampoo erhascht, mit dem er sich morgens die Haare gewaschen hat – und von der Foamy Shaving Cream, mit der er sich rasiert hat. Beugt sich hinab, bis ihre Lippen sein Ohr berühren, und flüs tert: »Sei still, Scott. Halt einmal im Leben die Klappe!«
    Als sie ihn wieder ansieht, haben seine Augen sich verändert. Die Wildheit ist verschwunden. Er wird sichtlich schwä cher, aber vielleicht ist das in Ordnung so, denn er wirkt wieder vernünftiger. »Lisey …?«
    Sie flüstert noch immer. Sieht ihm dabei direkt in die Au gen. »Lass das verdammte Ding in Ruhe, dann verschwindet es von selbst.« Fast hätte sie hinzugefügt: »Um den ganzen Scheiß hier kannst du dich später kümmern.« Aber das ist Un sinn, denn vorläufig kann Scott nur eines für sich tun: nicht sterben. Also sagt sie stattdessen: »Mach dieses Geräusch nie wieder, hörst du?«
    Scott leckt sich die Lippen. Als sie das Blut auf seiner Zun ge sieht, dreht sich ihr fast der Magen um, trotzdem weicht sie nicht zurück. Sie rechnet damit, dass sie bei ihm ausharren muss, bis der Krankenwagen ihn abtransportiert oder er hier auf dem heißen Asphalt hundert Meter von seinem letzten Triumph entfernt den letzten Atemzug tut. Falls sie Letzteres durchstehen kann, kann sie im Leben nichts mehr erschüt tern, vermutet sie.
    »Mir ist so heiß«, klagt er. »Hätte ich nur ein Stück Eis zu lutschen …«
    »Gleich«, sagt Lisey, ohne zu wissen, ob sie zu viel ver spricht, und ohne sich darüber Gedanken zu machen. »Es ist schon jemand unterwegs, um dir Eis zu holen.« Wenigstens kann sie jetzt den Krankenwagen heranheulen hören. Das ist immerhin etwas.
    Und dann eine Art Wunder. Das Mädchen mit den Schleifen auf den Schultern und den frisch aufgeschürften Handflächen drängt sich durch die Menge. Ihr Gesicht ist nass geschwitzt, und sie keucht wie nach einem Vierhundertmeterlauf, aber sie hält zwei große Pappbecher in den Händen. »Von der Cola ist die Hälfte verschüttet«, sagt sie mit einem kurzen zornigen Blick über die Schulter auf die Menge, »aber das Eis ist noch drin. Das Eis ist …« Dann verdreht sie die Augen, bis fast nur noch das Weiße sichtbar ist, und torkelt mit plötzlich weichen Knien rückwärts. Der Campus-Cop – o Gott segne ihn tausend mal mitsamt seinem schaurig rihiesigen Abzeichen und allem anderen – bekommt sie zu fassen, stützt sie und nimmt ihr einen der Becher ab. Er gibt ihn Lisey, dann drängt er die ande re Lisa dazu, aus dem zweiten Becher zu trinken. Lisey Landon achtet nicht auf die beiden. Als sie sich später an diese Szene erinnert, wird sie ein wenig über die eigene Zielstrebigkeit staunen. Jetzt denkt sie nur: Verhindern Sie bloß, dass sie noch mal auf mich fällt, falls sie ohnmächtig wird, Officer Friendly,
    und wendet sich wieder Scott zu.
    Er zittert schlimmer als je zuvor, und seine Augen begin nen trüb zu werden, können nicht mehr richtig sehen. Trotz dem versucht er es noch mal: »Lisey … so heiß … Eis …«
    »Ich hab welches, Scott. Hältst du ausnahmsweise mal dei nen Lästerrand?«
    »Eine flog nach Norden, eine nach Süden übers Land …«, krächzt er – und verstummt dann auf wundersame Weise. Vielleicht fällt ihm im Moment nichts mehr ein, was für Scott Landon eine Premiere wäre.
    Lisey taucht ihre Hand so tief in den Becher, dass die braune Brühe bis nach oben steigt und über den Rand blubbert. Die Kälte ist schockierend und unglaublich herrlich. Sie bekommt eine ganze Handvoll Eissplitter zu fassen und ist sich einer Ironie des Schicksals bewusst: Wenn Scott und sie auf Rastplätzen an Turnpikes halten, wo es am Getränkeautomaten keine Dosen oder Flaschen, sondern Pappbecher gibt, häm mert sie immer auf den KEIN-EIS -Knopf und

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