Love
Amandas Schaukelstuhl verbringen würde … das heißt, wenn sie in den Bücherregalen ihrer Schwester etwas entdeckte, das sich zu lesen lohnte …
Madam, wollen Sie reden? , dachte sie. Vielleicht hat Helen MacInnes das Buch geschrieben. Jedenfalls nicht der Mann, der das Gedicht über den Kugelturmschützen geschrieben hat …
Und mit diesem Gedanken fiel sie in einen tiefen, erschöpf ten Schlaf. Sie träumte nicht von dem PILLSBURY’S-BEST -Zauberteppich. Oder von irgendwas anderem.
13 Sie erwachte in der tiefsten Tiefe der Nacht, als der Mond untergegangen und die Stunde ungewiss war. Ihr war kaum bewusst, dass sie wach war oder dass sie sich an Amandas warmen Rücken gekuschelt hatte, wie sie es frü her bei Scott getan hatte, oder dass sie ihre Kniescheiben in Mandas Kniekehlen geschoben hatte wie früher bei Scott – in ihrem Bett, in hundert Motelbetten. Teufel, in fünfhundert, vielleicht in siebenhundert, höre ich tausend, tausend zum Ersten, wer bietet tausend? Sie dachte an Bools und Blut-Bools. An SUWAS und daran, dass man manchmal nur den Kopf hängen lassen und darauf warten konnte, dass der Wind sich drehte. Sie dachte, dass, wenn die Dunkelheit Scott ge liebt habe, das wahre Liebe gewesen war, denn er hatte sie ebenfalls geliebt; er hatte mit ihr durch den Ballsaal der Jahre getanzt, bis sie ihn schließlich mit sich fortgenommen hatte.
Sie dachte: Ich bin wieder dorthin unterwegs .
Und der Scott, der in ihren Gedanken weiterlebte (zumin dest glaubte sie, dass es dieser Scott war, aber wer konnte das mit Bestimmtheit sagen), fragte: Wohin bist du unterwegs, Lisey? Wohin diesmal, Babylove?
Sie dachte: Zurück in die Gegenwart.
Und Scott sagte: Der Film hieß Zurück in die Zukunft . Wir
haben ihn zusammen gesehen. Sie dachte: Dies ist kein Film, dies ist unser Leben . Und Scott sagte: Baby, hast du's umgeschnallt? Sie dachte: Warum liebe ich solch einen
14 Er ist solch ein Dummkopf, denkt sie. Er ist ein Idiot, und ich bin eine Närrin, dass ich mich mit ihm abgebe.
Sie steht noch immer da, blickt hinaus über den Rasen hin ter dem Haus, will ihn nicht rufen, fühlt sich aber zunehmend nervös, weil er vor fast zehn Minuten aus der Hintertür ge treten und über die Rasenfläche in die Dreiundzwanzig-Uhr-Schatten davongegangen ist – und was kann er vorhaben? Dort unten gibt's nur die Hecke und …
Aus nicht sehr großer Entfernung kommen Geräusche: quietschende Reifen, zerbrechendes Glas, Hundegebell, betrunkenes Kriegsgeheul. Mit anderen Worten: alle Geräusche einer College-Stadt an einem Freitagabend. Und sie ist ver sucht, nach ihm zu rufen, aber wenn sie das tut, auch wenn sie nur seinen Namen ruft, weiß er sofort, dass sie nicht mehr angepisst ist. Zumindest nicht mehr richtig angepisst.
Sie ist es tatsächlich nicht. Aber er hat sich wirklich einen schlechten Freitag dafür ausgesucht, um zum sechsten oder siebten Mal angetrunken und erstmals wirklich viel zu spät bei ihr aufzukreuzen. Sie hatten vorgehabt, sich einen Film anzusehen, auf den er scharf war – von irgendeinem schwe dischen Regisseur – und der hoffentlich synchronisiert sein würde, statt nur Untertitel zu haben. Also hatte sie nur rasch einen Salat gegessen, als sie von der Arbeit heimgekommen war, in der Hoffnung, dass Scott sie nach dem Kino zu einem Hamburger im Bear's Den einladen würde. (Falls nicht, würde sie ihn einladen.) Dann hatte das Telefon geklingelt, und sie hatte erwartet, dass er anrufen würde, hatte gehofft, dass er sich die Sache anders überlegt hatte und mit ihr in den Red-ford-Film im Einkaufszentrum in Bangor gehen wollte (bitte, lieber Gott, nicht zum Tanzen im Anchorage, nachdem sie acht Stunden auf den Beinen gewesen war). Doch stattdessen hatte Darla angerufen, die angeblich »nur ein bisschen quat schen« wollte, dann aber rasch aufs eigentliche Thema zu sprechen kam und ihr (wieder einmal) Vorwürfe machte, weil sie, Lisey, ins Nimmer-Nimmerland (Darlas Ausdruck) weggelaufen war und es ihr und Amanda und Cantata überließ, mit den ganzen Problemen fertig zu werden (womit sie Good Ma meinte, die im Jahr 1979 Fat Ma, Blind Ma und – am allerschlimmsten – Gaga Ma geworden war), während Lisey »sich mit den College-Kids amüsierte«. Als ob ein Vollzeitjob als Serviererin ein Zuckerschlecken wäre. Für sie war Nimmer-land eine drei Meilen von der University of Maine entfernte Pizzeria, und die »verlorenen Jungs« waren hauptsächlich Mitglieder der Studentenverbindung
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