Love
(Manda hatte alle seine Bücher gelesen, sogar Empty Devils … worauf sie eine ganze Woche lang nur noch bei Licht geschlafen hatte). Scotts Wirkung auf Jane Whitlow konnte Lisey nicht einschätzen.
Wie Scott an die Krankenakte herangekommen war, konnte also ein Punkt sein, in dem Liseys Neugier nie befriedigt werden würde. Unter Umständen würde sie sich mit dem Wissen begnügen müssen, dass er sie mitgebracht hatte und Dr. Alberness ihm nach kurzer Durchsicht zugestimmt hatte, dass bei Amanda Debusher erhöhte Rückfallgefahr bestand. Und irgendwann (vermutlich lange bevor sie ihre Nachspeise gegessen hatten) hatte Alberness seinem Lieblingsautor ver sprochen, falls der befürchtete Realitätsverlust eintrete, werde er für Ms. Debusher einen Platz in Greenlawn finden.
»Das war so wundervoll von Ihnen«, hatte Lisey ihm herz lich versichert, und als sie jetzt zum zweiten Mal an diesem Tag in Amandas Einfahrt abbog, überlegte sie, wann der Dok tor Scott wohl gefragt hatte, woher er seine Ideen bekomme. Früh oder spät? Bei der Vorspeise oder beim Kaffee?
»Wach auf, Darla-Darlin'«, sagte sie und stellte den Motor ab. »Wir sind da.« Darla setzte sich auf, betrachtete Amandas Haus und sagte: »Oh, Scheiße.« Lisey brach in Gelächter aus. Dagegen war sie machtlos.
9 Mandas Sachen zusammenzupacken erwies sich für beide als unerwartet traurige Angelegenheit. Ihre Koffer fan den sie in der kleinen Kammer im zweiten Obergeschoss, die als ihr Speicher fungierte. An den beiden verkratzten Sam sonites hingen noch die MIA - Anhänger von der Floridareise, die sie gemacht hatte, um Jodotha zu besuchen … wann? Vor sieben Jahren?
Nein, dachte Lisey, vor zehn . Sie betrachtete sie trübselig, dann zog sie den größeren Koffer heraus.
»Vielleicht sollten wir beide nehmen«, meinte Darla zwei felnd und wischte sich das Gesicht ab. »Puh! Heiß hier oben!«
»Der große wird reichen«, sagte Lisey und hätte beinahe hinzugefügt, sie glaube nicht, dass Amanda dieses Jahr auf den Ball der Katatoniker gehen werde, hielt aber gerade noch rechtzeitig den Mund. Ein Blick auf Darlas müdes, verschwitztes Gesicht zeigte ihr, dass dies der unpassende Zeit punkt für vermeintlich witzige Bemerkungen war. »In den passt Zeug für mindestens eine Woche rein. Und sie ist bestimmt nicht viel unterwegs. Du erinnerst dich, was der Doc gesagt hat?«
Darla nickte und fuhr sich nochmals übers Gesicht. »Sie bleibt überwiegend in ihrem Zimmer, zumindest anfangs.«
Normalerweise hätte die Klinik einen Arzt geschickt, um Amanda in situ untersuchen zu lassen, aber dank Scott hatte Alberness darauf verzichtet. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Dr. Whitlow nicht mehr da war und Amanda nicht gehen konnte oder wollte (und zudem inkontinent war), hatte er Lisey erklärt, er werde einen Greenlawn-Krankenwagen schi cken – ein neutrales Fahrzeug, hatte er betont, das die meis ten Leute für einen gewöhnlichen Lieferwagen hielten. Lisey und Darla waren ihm in Liseys BMW zur Klinik gefolgt, und beide waren voller Dankbarkeit gewesen – Darla gegenüber Dr. Alberness, Lisey gegenüber Scott. Dennoch war ihnen das Warten, während Alberness Amanda untersuchte, doch deut lich länger vorgekommen als vierzig Minuten, und seine Diagnose war keineswegs ermutigend gewesen. Den einzi gen Teil, auf den Lisey sich jetzt konzentrieren wollte, hatte Darla gerade erwähnt: Amanda würde die erste Woche unter ständiger Beobachtung in ihrem Zimmer oder auf der klei nen Terrasse davor verbringen, wenn sie sich dazu überre den ließ, so weit zu gehen. Sie würde nicht einmal den Spiel und Freizeitraum am Ende des Korridors besuchen dürfen, falls ihr Zustand sich nicht plötzlich und dramatisch ver besserte. »Was ich nicht erwarte«, hatte Dr. Alberness ihnen erklärt. »So was kommt vor, aber nur selten. Ich bin immer dafür, die Wahrheit zu sagen, meine Damen, und die Wahrheit ist, dass Ms. Debusher vermutlich einen weiten Weg vor sich hat.«
»Außerdem«, sagte Lisey, indem sie den größeren der bei den Koffer begutachtete, »will ich ihr neue kaufen. Dieses alte Zeug sieht beschissen aus.«
»Überlass das mir«, sagte Darla. Ihre Stimme klang heiser und schwankend. »Du tust schon so viel, Lisey. Liebe kleine Lisey.« Sie ergriff Liseys Hand, führte sie an ihre Lippen und drückte einen Kuss darauf.
Lisey war überrascht, fast schockiert. Zwar hatten Darla und sie ihre alten Streitigkeiten beigelegt, aber eine solche
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