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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die Blätter gerade erst allmählich bunt werden …
    Sie waren dort hingefahren, um den Verkauf der Taschen-buchrechte von Empty Devils zu feiern: des grässlichen, gru seligen Buches, das Scott Landon erstmals auf die Bestsel lerlisten katapultiert und sie reich gemacht hatte. Wie sich zeigte, waren sie die einzigen Gäste. Und nachts gab es einen ungewöhnlichen frühherbstlichen Schneesturm. Am Sams tagmorgen liehen sie sich Schneeschuhe aus und stapften da mit in den Wald und setzten sich unter
    (den Lecker-Baum)
    einen Baum, einen besonderen Baum, und Scott zündete sich eine Zigarette an und sagte, er müsse ihr etwas erzählen, und wenn sie ihn daraufhin nicht mehr heiraten wolle, würde er das sehr bedauern … Teufel, es würde ihm sein verdammtes Herz brechen, aber …
    Lisey trat auf die Bremse, lenkte ruckartig auf den Rand streifen der Route 19 und hielt mit einer hinter ihr aufgewir belten Staubwolke an. Der Tag war noch hell, aber sein Licht veränderte sich, wurde zu dem seidenen extravaganten Traum-licht, das nur Juniabende in Neuengland aufweisen: das Som merleuchten, an das sich Erwachsene, die aus Gebieten nörd lich von Massachusetts stammen, am deutlichsten aus ihrer Kindheit erinnern.
    Ich will mich nicht an The Antlers und dieses Wochenende erinnern. Nicht an den Schnee, der uns so zauberhaft vorkam, nicht an den Lecker-Baum, unter dem wir die Sandwichs ge gessen und den Wein getrunken haben, nicht an das Bett, das wir uns in jener Nacht geteilt haben, und die Geschichten, die er erzählt hat – von Tischen und Bools und geisteskranken Vätern. Ich habe solche Angst, dass alles, was ich erreichen kann, mich zu all dem führt, was ich nicht zu sehen wage. Bitte aufhören.
    Lisey merkte, dass sie die beiden Worte leise vor sich hin murmelte, immer wieder: »Bitte aufhören. Bitte aufhören. Bitte aufhören.«
    Aber sie war auf einer Bool-Jagd, und vielleicht war es schon zu spät, »Bitte aufhören« zu sagen. Heute Morgen im Bett hatte sie von dem rätselhaften Wesen gehört, die ers ten drei Stationen hätte sie schon gefunden. Noch ein paar, dann konnte sie ihre Trophäe beanspruchen. Manchmal einen Schokoriegel! Manchmal ein Getränk, eine Coke oder eine RC ! Immer eine Karte, auf der BOOL! Das Ende! stand.
    Ich habe dir ein Bool hinterlassen, hatte das Wesen in Amandas Nachthemd gesagt … und als nun die Sonne unter ging, konnte Lisey wieder kaum glauben, dass es tatsächlich Amanda gewesen war. Oder nur Amanda.
    Dir steht ein Blut-Bool bevor.
    »Aber erst ein gutes Bool«, murmelte Lisey. »Noch ein paar Stationen, dann kriege ich meine Belohnung. Ein Getränk, ich möchte bitte einen doppelten Whiskey.« Sie lachte ziemlich irre. »Aber wie zum Teufel kann es gut sein, wenn die Statio nen bis hinter den Purpur reichen? Ich will nicht hinter den Purpur gehen.«
    Waren ihre Erinnerungen Bool-Stationen? Falls ja, konn te sie drei lebhafte in den vergangenen vierundzwanzig Stunden zählen: wie sie den Verrückten niedergeschlagen hatte, wie sie auf dem kochend heißen Asphalt neben Scott gekniet hatte und wie er mit seiner wie eine Opfer gabe – was genau seiner Absicht entsprach – hingestreck ten blutigen Hand aus der Dunkelheit auf sie zugekommen war.
    Es ist ein Bool, Lisey! Und nicht nur irgendein Bool, son dern ein Blut-Bool!
    Auf dem Asphalt liegend, hatte er ihr erzählt, dass sein Long Boy – das Ding mit der endlosen gescheckten Seite – ganz in der Nähe war. Ich kann es nicht sehen, aber ich höre es fressen, hatte er gesagt.
    »Ich will nicht mehr an diesen Scheiß denken!«, hörte sie sich fast kreischen, aber ihre Stimme schien aus schrecklich weiter Ferne, über einen grausigen Abgrund hinweg zu kom men; die reale Welt fühlte sich plötzlich an wie dünnes Eis. Oder wie ein Spiegel, in den niemand länger als ein bis zwei Sekunden zu blicken wagte.
    Ich könnte ihn rufen. Er würde kommen.
    Am Steuer ihres BMW erinnerte Lisey sich daran, wie Scott um Eis gebettelt hatte und wie es gebracht wurde – eine Art Wunder –, und schlug die Hände vors Gesicht. Improvisation war schon immer Scotts Stärke gewesen, nicht ihre, aber als Dr. Alberness nach der Krankenschwester in Nashville gefragt hatte, hatte Lisey ihr Bestes getan und etwas erfunden, von wegen, Scott hätte mit starrem Blick den Atem angehalten – sich mit anderen Worten tot gestellt –, und Alberness hatte gelacht, als wäre das die lustigste Geschichte, die er in seinem ganzen Leben je gehört hatte. Das

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