Lovers (German Edition)
gefährlich.
“Genau.”
“Arschloch.”
“Ja.”
“Wie alt warst du?”
“Fünfzehn.”
“Scheiße.”
“Er hat nicht … Ich meine, er hat mich berührt, aber er hat nicht … du weißt schon.” Ich schüttle den Kopf. Ich will Audrey alles über mich erzählen, mich ihr vollends öffnen. Doch es fällt mir so schwer, darüber zu reden. Sogar mit meiner Therapeutin habe ich Probleme. Es ist schon schwer, nur daran zu denken.
“Trotzdem ist er ein verabscheuungswürdiger Mistkerl, Bettina! Er hätte vermutlich mehr gemacht, wenn nicht nebenan eine Party im Gange gewesen wäre.”
“Kann schon sein. Ich weiß es nicht.”
“Und im Grunde ist es egal. Was zählt, ist seine Absicht. Dass er eigentlich mit dir machen wollte, wonach ihm der Sinn stand. Dass er dich zum Opfer gemacht hat. Dass er dir deine Macht geraubt hat.”
Warum habe ich nur das Gefühl, als störte meine Erfahrung sie mehr als mich? Sie stellt das Weinglas auf den Tisch und setzt sich wieder neben mich. Den Mund hat sie zusammengekniffen, die Stirn gekraust. Ihre Augen sind dunkel und funkeln.
Ich nicke nur. Das Ausmaß ihrer Wut nimmt mir einen Teil meiner eigenen Wut.
“Schau mal, Bettina. Du kannst nicht zulassen, dass dieser Typ kontrolliert, wer du bist. Verstehst du? Er darf auf keinen Fall gewinnen.”
“Das hat er auch nicht. Also, nicht so ganz. Natürlich hat es mich beeinflusst. Aber ich habe nicht zugelassen, dass diese Erfahrung diktiert, wer ich bin. Ich habe mich trotzdem mit Männern getroffen oder hatte Sex. Ich habe nur … keine echte Leidenschaft für einen von ihnen empfunden. Aber vielleicht bin ich auch einfach nicht dem Richtigen begegnet. Oder ich war wohl noch nicht bereit dafür. Keine Ahnung.”
Sie ist mir jetzt so nahe, dass ich die Hitze spüre, die von ihrer Haut ausgeht. Wie kann ich so für sie empfinden, während ich über das spreche, was mir damals passiert ist? Über diese Nacht, die mich so verängstigt hat? Das ist doch absolut unmöglich. Aber ich kann nicht anders. In diesem Augenblick geht es nur um Audrey. Darum, mich ihr zu öffnen. Nicht um das Arschloch, wie sie ihn nennt. Vielleicht meint sie das. Und ich spüre eine enorme Erleichterung, die sogar noch größer ist als jene, die ich empfand, als ich meiner Therapeutin von dem Vorfall erzählte. Vielleicht hilft mir das Wissen, dass sie Ähnliches durchgemacht hat. Ich fühle mich ihr näher. Es ist eine Art Schicksalsgemeinschaft.
“Gut”, sagt sie und nickt. “Du kannst nicht zulassen, dass diese Erfahrung dich bestimmt. Du darfst dich davon nicht kontrollieren lassen.”
“Ich glaube, das tue ich auch nicht. Also nicht vollständig. Aber diese Männer … Mir haben sie nie etwas bedeutet. Ich war nie so richtig verknallt. Mit meinem Vibrator komme ich besser klar”, erzähle ich und spüre, wie die Hitze in meine Wangen aufsteigt.
Sie grinst. “Geht es nicht allen so? Ist übrigens kein Grund, sich zu schämen, Süße. Wir machen das alle. Niemand kennt deinen Körper besser als du.” Sie zögert und leckt über ihre Lippen. “Außer vielleicht eine andere Frau.”
Ich fahre fast aus meiner Haut vor Schreck. Mein Puls rast. Ihre Worte haben in meinem Kopf so plötzlich einen Schalter umgelegt, dass sich alles um mich dreht.
“Schockiere ich dich jetzt, Bettina?” Sie beobachtet mich. Ihr Blick ist unverwandt auf mich gerichtet, die Stimme leise. “Nein, ich glaube nicht.”
Ich schüttle den Kopf. Mir fehlen die Worte.
“Nach dieser ersten Erfahrung habe ich mich Frauen zugewandt”, erzählt sie. “Ich brauche diese Weichheit.” Sie streckt die Hand aus und streicht mir die Haare aus dem Gesicht, und ich werde überall ganz heiß. Das Verlangen ist wie ein heißes Pulsieren zwischen meinen Schenkeln. “Brauchst du das nicht auch manchmal?”, fragt sie. Ihre Stimme ist so leise, dass ich sie kaum verstehe. “Sehnst du dich nicht nach einer zärtlichen Berührung? Der Sicherheit?”
Ich schlucke hart. “Ja, also … ich glaube schon.”
Und es stimmt. Irgendwie habe ich das Gefühl, es könnte für mich heilsam sein. Ich stelle mir ihre weichen Hände auf mir vor, und sofort bin ich wieder von dieser brennenden Lust erfüllt.
“Willst du das mit mir machen, Bettina?”
Es ist nur ein Flüstern, weil meine Kehle sich vor Lust fast schmerzhaft zusammenzieht. “Ja.”
Sie lächelt. “Ich habe gehofft, dass du das sagst.” Und dann beugt sie sich vor und küsst mich.
4. KAPITEL
Audreys Mund
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