Lovesong
eigenes Management. Verschiedene Agenten sind an mir interessiert. Deshalb hat Lemsky auch darauf gedrängt, dass ich meinen Abschluss früher mache. Er meinte, ich wäre längst bereit, auf Tour zu gehen, obwohl ich mir da nicht so sicher bin.«
»Nun, nach dem zu urteilen, was ich heute Abend gehört habe, hat er recht.«
Ihr Gesicht wirkt auf einmal ganz aufgeweckt, und sie sieht so jung aus, dass es schon fast schmerzt. »Findest du wirklich? Ich hab ja schon auf der Bühne gestanden und auf Festivals gespielt, aber das wird was völlig anderes. Ich werde nämlich ganz allein sein, nur ich, und vielleicht begleitet mich an manchen Abenden noch ein Orchester oder ein Quartett oder ein Kammermusikensemble.« Sie schüttelt den Kopf. »Manchmal denke ich, ich sollte mir einfach eine Anstellung in einem Orchester suchen, was von Dauer. So wie du mit deiner Band. Die Bühnen ändern sich, aber die Musiker sind stets die gleichen. Es muss doch echt tröstlich sein, immer mit Liz, Mike und Fitzy zusammen zu sein.«
Ich stelle mir vor, wie der Rest der Band gerade in einem Flugzeug sitzt und über den Atlantik rast, während wir uns hier unterhalten – ein Ozean dazwischen, der aber noch das geringste Problem ist. Andere Dinge bilden eine viel größere Kluft zwischen uns. Und dann denke ich daran, wie Mia den Dvoˇrák spielte und was die Leute im Saal hinterher über sie gesagt haben, nachdem sie von der Bühne gegangen war. »Nein, das solltest du nicht tun. Das wäre die reinste Verschwendung deines Talents.«
»Jetzt klingst du aber genau wie Lemsky.«
»Gut so.«
Mia lacht. »Ja, ich weiß schon, dass er wie ein richtiger Kotzbrocken rüberkommt, aber ich hab den Verdacht, dass er all das insgeheim nur deshalb tut, weil er hofft, dass es mir hilft, dieses Loch in mir zu füllen, indem er meine Karriere fördert.«
Mia hält inne und wendet sich mir zu. Ihre Augen ruhen starr auf mir, sehen mich suchend an, fast flehend. »Aber er muss mir gar nicht unbedingt bei meiner Karriere helfen. Denn das hilft mir keineswegs, das Loch zu stopfen. Du verstehst das doch, nicht wahr? Du hast mich in dieser Hinsicht immer verstanden.«
Plötzlich kommt der ganze Mist, der an diesem Tag passiert ist, mit aller Wucht zurück – Vanessa und Bryn und die Gerüchte über ihre Schwangerschaft und Shuffle und die bevorstehenden siebenundsechzig Tage in Hotelzimmern, betretenes Schweigen und Auftritte mit einer Band, zu der ich schon lange nicht mehr stehe.
Ach, Mia, kapierst du es denn nicht? Die Musik ist dieses Loch. Und du bist der Grund dafür, dass das so ist.
11
Wir bei Shooting Star hatten immer eine Regel: Erst kommen die Gefühle, dann das Geschäftliche. Deshalb hatte ich mir keine großen Gedanken über die Band gemacht, auch nicht darüber, dass die anderen sauer sein könnten, als ich für eine längere Zeit ausstieg. Ich hatte erwartet, dass sie mit meiner Abwesenheit klarkommen würden, ohne dass ich ihnen das lang und breit hätte erklären müssen.
Nachdem ich wieder aus der Versenkung aufgetaucht war und die ersten zehn Songs geschrieben hatte, rief ich Liz an, damit die ein Bandessen beziehungsweise ein Treffen organisierte. Während des Essens saßen wir um den Clubtisch herum – wir nannten ihn so, weil Liz diesen potthässlichen Holztisch aus den Siebzigern, den wir am Straßenrand gefunden hatten, erst mit lauter Bandflyern beklebt und das Ganze dann Schicht für Schicht klar überlackiert hatte, damit er wie aus einem Club aussah. Erst entschuldigte ich mich dafür, dass ich wegen Mia so ausgetickt war. Dann holte ich meinen Laptop hervor und spielte ihnen Aufnahmen von dem neuen Material vor, das ich in letzter Zeit geschrieben hatte. Liz und Fitzy bekamen ganz große Augen. Die Gabeln voll Gemüselasagne schwebten reglos vor ihren Mündern, während sie gebannt einem Lied nach dem anderen lauschten: »Bridge«, »Dust«, »Stitch«, »Roulette«, »Animate«…
»Mann, Alter, wir dachten, du willst alles hinschmeißen und in irgendeinem Scheißjob arbeiten und den Kopf hängen lassen. Dabei warst du ja richtig produktiv !« , rief Fitzy. »Das Material ist der Hammer.«
Liz nickte. »Ja, total. Und es ist wunderschön. Muss wie eine Katharsis gewesen sein für dich«, sagte sie und griff nach meiner Hand, um sie zu drücken. »Ich würde zu gern die Texte dazu sehen. Hast du sie auf deinem Computer?«
»Liegen daheim, auf Zettel gekritzelt. Ich schreib sie ins Reine und schick sie dir per
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