Lovesong
einer Weile kannten sie die Songtexte so weit, dass sie mitsingen konnten, und das war ganz praktisch, wenn mir mal ein Textstück nicht einfiel.
Schon bald traten wir auch in größeren Clubs auf. Manchmal hörte ich im Hintergrund Geräusche von der Bar – das Klirren von Gläsern, wenn jemand beim Barmann einen Drink bestellte. Und zum ersten Mal hörte ich auch, wie die Leute meinen Namen riefen. »Adam!« – »Hier drüben, Adam!« Viele dieser Stimmen waren weibliche.
Doch die meisten Mädchen interessierten mich nicht. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich in ein Mädchen verguckt, das nie bei unseren Gigs aufkreuzte, das ich jedoch bei uns in der Schule hatte Cello spielen sehen. Und als Mia dann meine Freundin wurde und zu allen meinen Auftritten kam – und zu meiner Überraschung schien ihr das tatsächlich Spaß zu machen, wenn auch nicht unbedingt die Auftritte, so doch wenigstens die Musik –, da lauschte ich in erster Linie ihrer Stimme. Ich wollte hören, wie sie meinen Namen rief, obwohl ich genau wusste, dass sie das niemals tun würde. Sie war eine recht zurückhaltende Begleiterin. Sie blieb lieber backstage und sah mir von dort aus ernst zu. Selbst wenn sie sich so weit entspannt hatte, dass sie sich die Show ganz normal im Publikum ansehen konnte, blieb sie recht ruhig. Und trotzdem lauschte ich dem Klang ihrer Stimme. Es schien nicht von Bedeutung, dass ich sie bei unseren Auftritten nie hörte. Schon allein auf ihre Stimme zu warten bereitete mir Freude.
Als die Band dann bekannter wurde und die Konzerte vor größerem Publikum stattfanden, wurden auch die Jubelschreie lauter. Und dann wurde plötzlich für eine Weile alles still. Es gab keine Musik mehr. Keine Band. Keine Fans. Keine Mia.
Als alles wieder von vorn begann – die Musik, die Gigs, die Menschenmassen –, da klang es irgendwie fremd. Schon bei dieser zweiwöchigen Tour gleich nach Erscheinen von Collateral Damage war mir klar, dass sich einiges verändert hatte, eben weil alles anders klang. Der Klangteppich hüllte uns ein, während wir spielten, so als spielten wir in einer Seifenblase, die aus nichts bestand als aus dem von uns produzierten Lärm. Und zwischen den Songs hörte man dieses Schreien und Kreischen. Bald schon, viel schneller, als ich mir das je hätte vorstellen können, traten wir in riesigen Hallen auf: in Arenen und Stadien, vor mehr als fünfzehntausend Fans.
Bei diesen großen Gigs gibt es immer so viele Leute und so viel Lärm, dass es schier unmöglich ist, eine einzelne Stimme auszumachen. Alles, was ich höre, ist, abgesehen von unseren eigenen Instrumenten, die jetzt aus den stärksten Lautsprechern dröhnen, die es gibt, dieses wilde Gekreische der Menge in dem Moment, während wir noch backstage sind, die Lichter aber bereits ausgehen. Und wenn wir dann erst auf der Bühne sind, schwillt das Kreischen der Menge zu einem rasenden Getose an, das einem Hurrikan gleichkommt; an manchen Abenden könnte ich schwören, dass ich den Atem aus diesen fünfzehntausend schreienden Mündern spüre.
Ich mag dieses Geräusch nicht. Mir gefällt nicht, welch monumentale Ausmaße es annimmt. Ein paar Gigs lang tauschten wir unsere Lautsprecher gegen In-Ear-Kopfhörer aus. Der Sound klang perfekt, so als befänden wir uns im Studio, und wir waren vom Gebrüll der Menge abgeschirmt. Aber irgendwie kam mir das dann sogar noch schlimmer vor. Ich fühle mich so schon genug von der Menge abgeschnitten, allein durch die Distanz, die zwischen uns liegt. Wir sind voneinander getrennt durch die Bühne und eine ganze Armee von Security-Leuten, die die Fans davon abhalten, zu uns hochzuspringen, um uns zu begrapschen oder von der Bühne zu springen wie früher. Schlimmer als das ist für mich allerdings, dass man keine einzelnen Stimmen mehr heraushören kann. Keine Ahnung. Vielleicht warte ich ja immer noch auf diese eine.
Aber immer wieder geschieht es während einer Show, wenn Mike oder ich gerade dabei sind, unsere Gitarren nachzustimmen, oder wenn einer von uns einen Schluck Wasser nimmt, dass ich kurz innehalte und versuche, aus der Menge eine Stimme herauszufiltern. Und hin und wieder gelingt mir das sogar. Dann höre ich, wie jemand nach einem bestimmten Song ruft oder Ich liebe dich! schreit. Es kommt auch vor, dass sie meinen Namen ruft.
Während ich jetzt hier auf der Brooklyn Bridge stehe, denke ich an all diese Stadionauftritte, an den Hurrikan-ähnlichen Lärm. Denn jetzt kann ich nichts anderes
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