Lovesong
kompensierten wir das Ganze, indem wir so leise spielten, dass wir nicht mal mehr unsere eigenen Instrumente hören konnten.
Was ich allerdings in den Pausen zwischendurch nur zu deutlich wahrnahm, war der Partylärm: Das Geräusch klirrender Bierflaschen, endloses Gelaber, das Lachen der Leute, und – ich schwöre es – in einem Hinterzimmer zogen sich doch tatsächlich ein paar Leute American Idol rein. Der Punkt ist der, dass ich all das nur hören konnte, weil unsere Band so kacke war, dass niemand sich die Mühe gab, uns überhaupt zuzuhören. Keiner wollte uns Beifall spenden oder gar zujubeln, so schlecht waren wir. Wir waren es den Leuten nicht einmal wert, uns auszubuhen. Wir wurden schlichtweg ignoriert. Als wir mit dem Spielen aufhörten, ging die Party einfach weiter, als wären wir nie aufgetreten.
Wir wurden besser. Nicht gut, aber immerhin besser. Aber wir wurden nie gut genug, um irgendwo anders aufzutreten als auf Privatpartys. Und dann ging Jonah aufs College, und Nate und ich hatten plötzlich keinen Drummer mehr, was definitiv das Ende von Infinity 89 bedeutete.
So begann mein kurzer Abstecher in die Welt der einsamen Singer-Songwriter. Ich zog in unserer Stadt von Café zu Café. Allerdings waren diese Kaffeehaustouren nicht wesentlich besser als die Privatpartys. Da es nur meine Gitarre und mich gab, musste ich den Lautsprecher nicht so laut aufdrehen, und die meiste Zeit zeigten die Leute im Publikum sich mir gegenüber respektvoll. Aber während ich spielte, wurde ich jedes Mal wieder von anderen Geräuschen abgelenkt: vom Zischen der Espressomaschine, von den gedämpften Unterhaltungen intellektueller Studenten, die sich über furchtbar wichtige Dinge unterhielten, vom Kichern der Mädchen. Nach den Auftritten wurde das Gekicher lauter, wenn die Mädchen auf mich zukamen, um sich mit mir zu unterhalten, um mich über die Dinge auszufragen, die mich inspirierten, um mir Mix- CD s zu schenken, die sie für mich gemacht hatten, und manchmal wollten sie mir auch ganz andere Sachen schenken.
Nur ein Mädchen war anders. Sie hatte drahtige, muskulöse Arme und einen grimmigen Ausdruck im Gesicht. Beim ersten Mal, als sie mich ansprach, sagte sie nur: »Du vergeudest es echt total.«
»Wieso denn, ich krieg die Drinks doch umsonst«, erwiderte ich darauf.
»Nein, so meine ich das nicht«, sagte sie und hob ihre Augenbrauen. »Du vergeudest dein Talent auf Akustiksets. Ich hab dich schon mal mit dieser schrecklichen Band spielen sehen. Da warst du echt gut, für das Jüngelchen, das du warst.«
»Ich schätze, dafür muss ich dir danken.«
»Schon gut. Ich bin nicht da, um dir was vorzuschleimen. Ich bin hier zum Rekrutieren.«
»Tut mir leid, ich bin Pazifist.«
»Wie witzig! Ich bin Lesbe, und zwar eine, die damit nicht hinterm Berg hält. Somit bin ich ebenso wenig für den Militärdienst geeignet wie du. Nein, hör zu, ich bin dabei, eine Band zu gründen. Ich finde, du bist ein überaus begabter Gitarrist, deshalb bin ich hier. Um einen Minderjährigen zu verführen, rein künstlerisch gesehen, versteht sich.«
Ich war nicht mal sechzehn Jahre alt und ein bisschen eingeschüchtert von ihrem forschen Auftreten, aber ich dachte mir: Warum nicht? »Wer ist noch in der Band?«
»Ich am Schlagzeug. Und du an der Gitarre.«
»Und?«
»Das sind doch schon mal die zwei wichtigsten Positionen, findest du nicht? Fantastische Schlagzeuger und singende Gitarristen wachsen nicht gerade auf Bäumen, nicht mal in Oregon. Mach dir keine Gedanken, die restlichen Mitglieder finde ich schon noch. Ich heiße übrigens Liz.« Sie hielt mir die Hand hin. Die war mit Schwielen überzogen, was fast immer der Fall ist, wenn jemand gut Schlagzeug spielt.
Innerhalb eines Monats hatte Liz auch noch Fitzy und Mike ins Boot geholt, und wir hatten uns Shooting Star getauft und damit angefangen, gemeinsam Songs zu schreiben. Einen Monat später spielten wir unseren ersten Gig. War wieder eine Privatparty, aber die war ganz anders als die, auf denen ich mit Infinity 89 aufgetreten war. Gleich von Anfang an war irgendetwas anders. Als ich den ersten Akkord anstimmte, fühlte es sich an, als würde jemand das Licht ausschalten. Alles wurde plötzlich still. Wir hatten die Aufmerksamkeit der Menge, und das blieb auch so. In den Pausen zwischen den Songs jubelten die Leute und wurden dann wieder still, weil sie sich auf den nächsten Song freuten. Mit der Zeit fingen sie sogar an, sich Songs zu wünschen. Nach
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