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Lovesong

Titel: Lovesong Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie. Direkt vor mir.
    »Ich dachte, ich hätte dich verloren. Ich bin zurück auf die Brücke und hab nach dir gesucht, aber ich konnte dich nirgends finden, und ich dachte, du wärst in Richtung Manhattan zurückgegangen, und ich hatte diesen dämlichen Einfall, mir ein Taxi zu nehmen und dich auf der anderen Seite abzupassen. Ich weiß, dass diese Aktion total egoistisch ist. Ich habe gehört, was du da auf der Brücke gesagt hast, aber wir können nicht einfach so auseinandergehen. Ich kann das nicht. Nicht noch einmal. Wir müssen uns auf andere Art voneinander verabschieden. Ich wette …«
    »Mia?«, unterbreche ich sie. Meine Stimme ist ein Fragezeichen und eine zärtliche Geste zugleich. Ihr Redeschwall ist jäh unterbrochen. »Woher wusstest du es?«
    Die Frage tritt wie aus dem Nichts hervor. Und dennoch scheint sie sofort zu wissen, wovon ich rede. »Oh, das«, sagt sie. »Das ist ein bisschen kompliziert.«
    Langsam weiche ich von ihr zurück. Ich habe kein Recht, sie zu fragen, und sie ist ebenso wenig verpflichtet, mir zu antworten. »Schon okay. Es ist alles gut. Mir geht es jetzt gut.«
    »Nein, Adam, hör auf«, meint Mia.
    Ich schweige.
    »Ich will es dir erzählen. Ich muss es dir erklären. Ich befürchte nur, ich brauch erst einen Kaffee, bevor ich dazu fähig bin.«
    Sie führt mich stadtauswärts in ein historisches Viertel, in eine Bäckerei an einer Straße mit Kopfsteinpflaster. Die Fenster sind abgedunkelt, die Tür verschlossen, und allen Anzeichen nach ist der Laden zu. Doch Mia klopft, und innerhalb von einer Minute macht ein Mann mit einem wilden Haarschopf und Mehl im ungebändigten Bart die Tür auf und ruft Mia freudig ein Bonjour entgegen und küsst sie auf beide Wangen. Mia stellt mich Hassan vor, der sofort wieder in der Bäckerei verschwindet, die Tür aber offen lässt, sodass das warme Aroma von Butter und Vanille raus in die Morgenluft weht. Er kehrt mit zwei großen Bechern Kaffee und einer braunen Papiertüte zurück, die bereits dunkle Flecken von der Butter aufweist. Sie reicht mir einen Kaffee, und ich öffne den Deckel und sehe, dass er dampft und schwarz ist, so wie ich ihn liebe.
    Es ist jetzt heller Morgen. Wir suchen uns eine Bank auf der Brooklyn-Heights-Promenade, noch einer von Mias Lieblingsplätzen in New York, wie sie mir verrät. Wir sitzen direkt am East River, wo Manhattan so nah ist, dass man es fast berühren kann. Schweigend sitzen wir nebeneinander wie zwei alte Freunde, trinken unseren Kaffee und essen Hassans noch warme Croissants. Und ich fühle mich gut dabei, ganz wie in alten Zeiten, dass ein Teil von mir am liebsten mit einer Zauberuhr die Zeit anhalten und ewig in diesem Moment verweilen würde. Nur dass es keine Zauberstoppuhren gibt und noch einige Fragen zu beantworten sind. Mia allerdings scheint es kein bisschen eilig zu haben. Sie nimmt einen Schluck, blickt hinaus auf die Stadt. Erst als sie ihren Kaffee zu Ende getrunken hat, wendet sie sich endlich wieder mir zu.
    »Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, ich würde mich an nichts erinnern, was den Unfall oder die Zeit danach betrifft«, fängt sie an. »Dann aber erinnerte ich mich plötzlich an Einzelheiten. Das war nicht wirklich ein Erinnern, eher war es so, dass ich Details hörte, die mir irgendwie vertraut vorkamen. Ich redete mir selbst ein, das läge daran, dass ich all diese Geschichten immer und immer wieder gehört hatte, doch so war es nicht. Nun spulen wir die Zeit vor, ungefähr um eineinhalb Jahre. Ich hab inzwischen meinen siebten oder achten Therapeuten.«
    »Du bist also echt in Therapie?«
    Sie wirft mir einen schiefen Blick zu. »Klar bin ich in Therapie. Ich hab meine Therapeuten gewechselt wie andere Leute ihre Unterwäsche. Und sie haben mir alle das Gleiche gesagt.«
    »Und das wäre?«
    »Dass ich wütend sei. Dass ich wütend sei, weil der Unfall passiert ist. Dass ich wütend sei, weil ich die einzige Überlebende bin. Dass ich wütend sei auf dich.« Sie sieht mich mit einem schiefen, entschuldigenden Grinsen an. »Alles andere ergab für mich ja Sinn, aber das mit dir, das habe ich nicht verstanden. Ich meine, warum sollte ich ausgerechnet auf dich sauer sein? Aber so war es. Ich konnte fühlen, wie …« Sie hält einen Moment inne. »… wie verärgert ich war«, vervollständigt sie den Satz. »Die Gründe waren nur allzu offensichtlich: Du hattest dich von mir zurückgezogen, der Unfall hatte uns beide verändert … Aber all das war keine Erklärung

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