Luc - Fesseln der Vergangenheit
suchen werden. Wie bist du auf diesen Ort gestoßen?«
»Warzai nutzte dieses Gebäude in der Vergangenheit. Wir hatten gehofft, hier eine Spur von Kalil zu finden. Es ist frisches Blut an der Wand, aber wir wissen nicht, ob es von Kalil stammt.«
»Es ist sein Blut.« Luc berichtete ihm von den Schriftzeichen im Sand. Angst, gefolgt von Wut zeigten sich in Hamids Gesicht, ehe er sich beherrscht abwandte und seinen Männern signalisierte, sich zurückzuziehen.
Die Empfindungen entsprachen dermaßen exakt Lucs eigenen Gefühlen, dass er impulsiv dem Afghanen eine Hand auf den Arm legte. »Wir finden ihn. Lass uns zusammenarbeiten.«
Hamids Blick schweifte in die Ferne, ehe er Luc eine Hand auf die Schulter legte. »Die Alternative würde mir kein Vergnügen bereiten, auch wenn eine derartige Allianz ungewöhnlich ist. Ich will die Zeichen sehen, die mein Bruder hinterlassen hat. Ehe ich mich festlege, was eine Zusammenarbeit angeht, will ich deine Männer kennenlernen.«
»Kein Problem. Es war sowieso mein Wunsch, dass du Scott triffst. Ich halte viel von dem Sprichwort, dass gemeinsame Freunde zu Freunden und gemeinsame Feinde zu Feinden werden.«
Ohne zu zögern, nahm Hamid das indirekte Freundschaftsangebot mit einem Nicken an. »Wir treffen uns vor dem Gebäude. Sorg dafür, dass deine Männer uns friedlich empfangen.«
Die Forderung war überflüssig und glich einer freundschaftlichen Frotzelei, die Luc lächelnd ignorierte. »Noch eine, oder eher zwei Vorwarnungen: Einer von Kalils Freunden hilft uns und Jasmin begleitet uns auch. Ich habe es nicht geschafft, sie zu überzeugen, in die Staaten zurückzufliegen oder in Kunduz zu bleiben. Vielleicht hast du mehr Erfolg.«
»Vergiss es.«
Das war deutlich. Schmunzelnd drehte sich Luc um und stieg wieder in seinen Jeep. Der Platz reichte, um das Fahrzeug problemlos zu wenden. Eigentlich war es Wahnsinn, sich ungeschützt vor die Gewehrmündungen zu begeben, aber er traute Hamid und war froh, ihn auf seiner Seite zu haben. Sein Urteil stand endgültig fest. Er würde alles tun, um den fragilen Frieden zwischen ihnen zu bewahren und ihm zu helfen.
Mit einer Drehung des Mikrofons schaltete er das Headset wieder ein. »Sammeln vor dem Gebäude. Keiner schießt ohne meinen ausdrücklichen Befehl. Keine Provokationen. Benehmt euch, Jungs. Wir bekommen Besuch.« Schweigen folgte seiner Anweisung, dann bestätigte einer nach dem anderen den Befehl, aber er konnte Timothy und Chris die Unsicherheit anhören. Luc verzog das Gesicht. Das würde nicht einfach werden. »Um es ganz klar zu formulieren: Ich betrachte den Anführer als Freund und vertraue ihm. Verstanden?«
Diesmal kam die Zustimmung sofort, wenn auch ungewohnt formell.
32
Luc stoppte den Jeep inmitten einer Staubwolke und erntete von Scott einen finsteren Blick. »Übst du hier für die nächste Rallye?«
»Stell dich nicht so an. Willst du jetzt vielleicht eine förmliche Beschwerde einlegen? Ich dachte, Chris und Timothy salutieren vor dem Mikrofon, so zugeknöpft, wie die reagiert haben.«
»Gib ihnen eine Chance, die Männer selbst einzuschätzen.«
»Hatte ich auch vor. Wieso kommt von dir keine Kritik?«
»Ganz einfach: Ich kenne dich und vertraue deinem Instinkt. Dahinten kommen zwei Wagen angefahren. Du solltest die letzten Sekunden nutzen, ein anderes Problem zu lösen.«
Großartig, hinter ihm würden jeden Moment seine eigenen Männer und Hamid eintreffen und vor ihm lehnte Jasmin mit dem Rücken an dem Gebäude und durchbohrte ihn mit Blicken.
Ehe er sich für ein Problem entschieden hatte, stieß sich Jasmin mit Schwung ab und stürmte auf ihn zu. »War das da oben Hamid?«
»Ja, unter anderem. Er kommt gleich her.«
Die zur Beruhigung gedachte Erklärung hatte den gegenteiligen Effekt. Jasmins Augen sprühten vor Wut und ihr Zeigefinger näherte sich bedrohlich seinem Gesicht. »Spinnst du jetzt eigentlich total?«
Da nur Scott sie amüsiert beobachtete, verzichtete Luc auf eine fällige Zurechtweisung, wich aber vorsichtshalber einen Schritt zurück. »Was genau meinst du? Und es wäre nett, wenn du deinen Ton mäßigen könntest, wenn die anderen anwesend sind.«
»Im Moment sind wir ja noch unter uns. Und es ist mir unbegreiflich, wieso dieser hirnlose Texaner es zugelassen hat, dass du dich alleine mit den Taliban triffst. Seid ihr alle durchgedreht? Was hätte denn dagegen gesprochen, wenn ich mitgekommen wäre? Du weißt genau, dass Hamid für mich wie ein Bruder ist, und
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