Luc - Fesseln der Vergangenheit
war nicht abzusehen, dass Melton uns dazwischenfunkt. Eigentlich hätte schon längst alles geklärt sein müssen. Können wir den Punkt bitte jetzt lassen? Wir haben doch genug andere Probleme.«
Luc und Andi wechselten einen Blick. Es lag auf der Hand, dass die jungen Afghanen einen Alleingang unternommen hatten, der gründlich schiefgegangen war.
»Du warst da erfolgreicher«, bemerkte Andi und sah Jasmin an, die sich in diesem Moment im Schneidersitz direkt neben Luc niederließ.
»Eine Mischung aus Glück und guter Vorbereitung«, tat Luc das versteckte Lob ab und hoffte, dass der Deutsche nicht weiter insistierte.
Anscheinend hatte Jasmin andere Vorstellungen. »Vermutlich möchtest du wissen, was eigentlich los ist, oder?«
Andi winkte ab. »Eigentlich weiß ich von Luc und meinem Freund Joss alles, was relevant ist. Aber wenn du deine Sicht loswerden möchtest, tu dir keinen Zwang an.«
Luc rechnete damit, dass Jasmin das Angebot ablehnen würde. Aber anders als bei dem Gespräch mit ihm schilderte Jasmin dem Deutschen ruhig und beherrscht die Ereignisse, die dazu geführt hatten, dass sie auf Meltons Abschussliste gelandet war. Erst als Jasmin wiederholt unauffällig zu Hamid hinübersah, begriff Luc, dass die Erklärung eigentlich dem Afghanen galt.
Als sie endete, war hinter Hamids kühler Fassade Wut zu erkennen. Sichtlich getroffen sah Jasmin auf den Boden und blickte nicht auf, als er aufstand.
Statt an Jasmin wandte der Afghane sich an Luc. »Du hast mein Wort, dass ich Melton hier im Lager nicht töten werde, aber er wird für seine Taten bezahlen. Mir wäre es lieber, wenn ihr es nicht hinbekommt, dann gehört er mir. Ich sehe mich draußen um.«
Jede seiner Bewegungen verriet seinen Ärger, der aber nicht Jasmin galt. Erst als er ihr im Vorbeigehen eine Hand auf die Schulter legte, atmete sie auf. Obwohl es kaum sinnvoll war, dass sich ein gesuchter Taliban offen in einem Lager der Bundeswehr bewegte, hielten weder Andi noch Luc ihn zurück.
Trotzdem sah Andi ihm besorgt nach. »Ich kann ihn verstehen. Bist du sicher, dass er sein Wort hält?«
»Eigentlich schon. Aber ich gehe ihm trotzdem nach.«
Luc stand auf und blickte absichtlich auf Jasmin herab. »Lerne endlich, uns zu vertrauen. Hamid wusste doch schon seit Ewigkeiten, wer du bist und was du getan hast, und er hat dir vor einigen Stunden ganz klar seine Meinung gesagt. Wieso sollte er jetzt wütend auf dich sein?« Luc erwartete keine Antwort, hatte aber absichtlich leise und Paschtu gesprochen, so dass die anderen Männer seine Worte nicht verstehen konnten.
Jasmins Kopf ruckte hoch. »Bei dir klingt es immer so verdammt logisch.«
»Ist es auch, Jamila. Tue mir bitte einen Gefallen. Bleib hier beim Hubschrauber. Je weniger Leute dich sehen, desto besser. Mir reicht es, dass Hamid sich draußen abreagiert. Es wäre nicht gut, wenn wir Melton zu früh aufschrecken.«
»Danke, dass du es als Bitte und nicht als Befehl formuliert hast. Klar, mache ich.« Ihr Lächeln war reichlich zitterig.
Luc wollte Scott unauffällig signalisieren, dass er sich um Jasmin kümmern sollte. Aber sein Freund hatte seinen Platz im Schatten neben dem Zelteingang bereits aufgegeben und sich zu ihr gesetzt, weil er offenbar erkannt hatte, was jetzt nötig war. Er zwinkerte Luc zu. »Mir fallen bestimmt noch ein, zwei Geschichten ein.«
»Irgendwann … « Luc beließ es bei der Drohung und trat blinzelnd ins Freie. Das grelle Sonnenlicht war schon nach dem kurzen Aufenthalt im Schatten entschieden zu hell und zu heiß.
35
Es dauerte einige Augenblicke, bis Luc Hamid im Schatten des Helikopters ausmachte – misstrauisch beobachtet von einem anderen Mann, den er gut kannte.
Mit einem leisen Pfiff näherte sich Luc ihm von hinten. »Gute Arbeit, Pete. Du musst wie der Teufel gefahren sein, um vor Melton hier einzutreffen.«
Pete Ramirez sah trotz seines Namens aus wie ein mitteleuropäischer Student. Mit seinen zerzausten dunkelbraunen Haaren und den blauen Augen ging er in nahezu jeder Situation als harmloser junger Mann durch und hatte ihnen in der Vergangenheit schon mehr als einmal unschätzbare Vorteile verschafft. »Na ja, es war keiner da, der meinen Fahrstil kritisieren konnte. Sag mal, Boss, hast du mir zufällig etwas zu erklären? Du siehst aus, als ob du wüsstest, wer dort hinten ruhelos seine Kreise zieht.«
»Ich habe ihn selbst ins Lager reingebracht.«
Pete entspannte sich sofort. »Bekomme ich eine Erklärung oder muss ich
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