Luc - Fesseln der Vergangenheit
das so hinnehmen?«
»Wir arbeiten zusammen. Die Kurzversion lautet: Wir haben die gleichen Interessen und ich betrachte ihn als Freund.«
»Klingt nach einer spannenden Geschichte. Dann überlasse ich ihn dir. Melton kennt höchstens mein Gesicht, weiß aber nicht, dass ich ein SEAL bin. Sam befürchtet, dass Melton seinen Begleitschutz sofort nach der Ankunft hier wegschickt. Falls das so ist, haben Sam und die Deutschen, die ihn bisher im Auge behalten haben, schlechte Karten und ich werde ihn stattdessen übernehmen. So viele Orte gibt es hier nicht, wo er sich unauffällig einen Gefangenen vornehmen kann.«
Ähnlich wie Timothy verfügte Pete normalerweise über eine nahezu unerschütterliche Ruhe. Der offen gezeigte Ärger war ungewöhnlich für ihn. »Was ist los?«
»Was los ist, Luc? Wir reißen uns hier den Arsch auf, damit sich in diesem Land was ändert, und solche Kerle laufen frei herum und glauben auch noch im Namen unserer Regierung etwas Gutes zu bewirken. Ich bin stinksauer. Das ist los. Ich komme einfach nicht drüber weg, was in Kalifornien passiert ist. Es kann doch nicht sein, dass wir unseren eigenen Teamchef aus den Händen solcher Verbrecher befreien müssen. Aber das reicht ja anscheinend nicht, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Er läuft weiter frei herum.«
Luc konnte sich nicht erinnern, Pete jemals so aufgebracht erlebt zu haben. In der Vergangenheit war jeder von ihnen schon an Grenzen gestoßen, bei denen eigene Moralvorstellungen und ihre Aufträge aufeinanderprallten. Bisher war es Luc immer gelungen, einen Weg zu finden, der mit seinen eigenen Prinzipien vereinbar war. In diesem Fall war das anders. Langsam nickte er. »Ich weiß, was du meinst. Der Feind in den eigenen Reihen und so weiter. Aber genau deshalb sind wir hier und werden diesen Wahnsinn beenden. Wir wissen nicht, wer Melton bei der CIA deckt, aber wenn wir fertig sind, werden wir unsere Antworten haben und die Sache hat ein Ende.«
»Tut mir leid, Luc. Das nagt an mir.«
»Kein Thema. Mir geht es ähnlich. Wenn du fit genug bist, mach weiter. Sonst geh zu den anderen und gönn dir eine Pause. Verdient hast du sie dir.«
»Ich sehe mir kurz die Frau an, die sich den Boss geangelt hat, und behalte dann die Zufahrt im Auge.«
Luc hob in Zeitlupe eine Augenbraue, aber Pete grinste nur und ging eilig auf das Zelt zu.
Deutlich gemächlicher näherte sich Luc dem Hubschrauber. Hamid hatte seine Wanderung aufgegeben und sah ihm gelassen entgegen.
»Jasmins Worte waren für dich nicht neu. Was hat dich so wütend gemacht?«
»Mir ist noch einmal bewusst geworden, wie viel Schaden Melton ihr zugefügt hat. Solange sie sich selbst nicht verzeihen kann, wirst du es mit ihr schwer haben.«
Obwohl er das Einfühlungsvermögen des Afghanen mittlerweile kannte, hatte Luc damit nicht gerechnet. »Ich arbeite dran.«
»Tu das. Hast du Informationen über Melton?«
»Was meinst du?«
»Sein Vorgehen ist raffiniert. Er muss eine bestimmte Absicht verfolgen, dass er meinen Bruder am Leben gelassen hat. Ich frage mich, ob es hier wirklich so einfach enden wird.«
Ein Schauer lief Luc über den Rücken, als Hamid seine eigenen Befürchtungen aussprach. Er dachte an die Worte von Jasmins Onkel und daran, dass auch Jasmin betont hatte, dass Melton ein meisterhafter Stratege war. Er erzählte Hamid von den Warnungen.
Hamid fluchte leise. »Wie mag sein Plan aussehen?« Er zwang sich zu einem Grinsen. »Halte mich nicht für ein altes Weib, aber ich habe ein schlechtes Gefühl.«
Hamids Offenheit berührte Luc. »Ich auch, mein Freund. Aber wir können nur ein Problem nach dem anderen lösen. Erst mal holen wir uns Kalil zurück. Dann überlasse ich es mit Vergnügen dir, aus ihm und Azad die Wahrheit herauszukitzeln. Und dann müssten wir schlauer sein.«
Endlich lächelte Hamid. »Typisch Amerikaner. Pragmatisch bis zum Ende.«
Spöttisch grinste Luc. »Typisch Paschtune. Stundenlanges Grübeln statt Handeln.«
»Woher willst du wissen, dass ich Paschtune bin?«
»Das steht dir förmlich auf die Stirn geschrieben.« Als Hamid ihn schweigend ansah, lenkte Luc ein. »Es könnte aber auch daran liegen, dass meine Ersatzeltern ebenfalls Paschtunen sind. Ich kenne euren Stolz und eure Denkweise seit meiner Kindheit.«
Hamid konnte seine Überraschung nicht verbergen. »Ersatzeltern? Davon hast du bisher kein Wort gesagt, als wir darüber geredet haben, wieso du unsere Sprache und Gebräuche kennst.«
Bereitwillig erzählte
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