Luc - Fesseln der Vergangenheit
Schmerzhaft stieß Luc mit dem Hinterkopf gegen den Sitz, aber Mitleid konnte er momentan vergessen. Die beiden waren sich einig und er am Ende.
Es reichte. Mühsam rappelte er sich hoch und beugte sich vor. »Ich habe doch nur … «
Wie auf ein geheimes Kommando flogen beide Köpfe absolut synchron zu ihm herum. »Du bist still und denkst darüber nach, was du falsch gemacht hast!«, beschied ihn Jasmin. »Komm schon, Scott. Ich will alles über ihn und seine Brüder hören.«
Eine Fortsetzung der Diskussion konnte gefährlich werden, in vielerlei Hinsicht. »Konzentrier dich lieber aufs Fahren, ehe du einen Unfall baust.«
»Im Gegensatz zu euch Männern kann ich zwei Dinge auf einmal erledigen und habe überhaupt keine Probleme, Scott zuzuhören. Also, Scott. Fang an.«
»Zu Befehl, M’am.«
Stöhnend lehnte Luc sich zurück. Bei Gelegenheit würde er sich in aller Form nach Scotts Auffassung von Freundschaft erkundigen. Einerseits war er froh, dass die beiden sich offensichtlich gut verstanden, aber es hatte definitiv auch Nachteile.
Scott stellte Lucs Mutter als Heilige und die Brüder, insbesondere Luc, als Schrecken der Menschheit dar. Das war zu erwarten gewesen und entsprach natürlich nicht der Wahrheit. Während Scott ausführlich schilderte, wie sie vor einigen Wochen das Wasser in Vaters Koi-Teich grellrot eingefärbt hatten, dabei seine eigene Beteiligung allerdings unterschlug, fielen Luc die Augen zu. Sein letzter zusammenhängender Gedanke war, dass er mit der Aktion die Wette mit Dom haushoch gewonnen hatte. Die Flasche zwanzig Jahre alter Tequila aus einer Privatbrennerei war den Ärger mit seinem Vater, der sich damals keine Sekunde von ihren Unschuldsmienen täuschen ließ, wert gewesen. Sein Vater war eben nicht umsonst vom kleinen Einzelhändler zum Inhaber einer landesweiten Warenhauskette aufgestiegen. Begleitet von Jasmins hellem Lachen schlief er endgültig ein.
34
Das Geholpere hatte Luc erfolgreich ausgeblendet, trotzdem wurde er langsam wach. Widerwillig zwang er die Lider auseinander. Der Wagen stand und Scott rüttelte an seiner Schulter. Besorgt sah er auf ihn herab. »Verdammt, Luc. Ich dachte, ich bekomme dich überhaupt nicht wach.«
Normalerweise war er bei dem ersten Anzeichen von Gefahr voll einsatzbereit. Er traute sich nicht, Scott zu fragen, wie lange sein Freund ihn schon bearbeitete. »Sag lieber nichts. Ich weiß selbst, dass ich noch nicht in Bestform bin. Bericht!«
»Nun ja, Jasmin kennt sämtliche Familiengeheimnisse.«
Schmunzelnd stemmte Luc sich hoch. »Idiot. Darüber reden wir noch.«
Nach einem letzten abschätzenden Blick war Scott offenbar mit dem Ergebnis seiner intensiven Musterung zufrieden. »Ich zittere vor Angst. Für den Moment haben wir einen Zwischenstopp eingelegt. Die reguläre Piste liegt vor uns und ist in perfektem Zustand, so dass wir den Außenposten wahrscheinlich in einer knappen halben Stunde erreichen werden. Meltons Konvoi ist frühestens in einer Stunde so weit. Eher später. Einer ihrer Wagen hatte eine Reifenpanne.«
Scotts Grinsen sprach für sich. Einer ihrer eigenen Leute musste dafür gesorgt haben, dass ihr Vorsprung noch angewachsen war.
»Vor einigen Minuten kreiste über uns ein Hubschrauber und hat zur Begrüßung eine Ehrenrunde gedreht, ehe er dahinten runtergegangen ist. Wie sieht dein Plan aus?«
Luc sprang aus dem Wagen und reckte sich. Die anderen Jeeps parkten hinter ihnen, die Männer standen in kleinen Gruppen zusammen und redeten miteinander. »Wir fahren weiter ins Camp, verhalten uns dort möglichst unauffällig und warten bis es dunkel ist, um Kalil dann rauszuholen.«
»Was ist mit deinen neuen Freunden? Sollen wir ein paar von denen nicht einfach mit reinnehmen? Pete hat sich eben telefonisch gemeldet. Er hat es geschafft, Melton zu überholen und ist schon im Außenposten. Mindestens die Hälfte der Soldaten in dem Lager sind Angehörige der afghanischen Armee und was noch besser ist: Die Afghanen kontrollieren die Zufahrten. Das ändert die Voraussetzungen, oder? Wir könnten Hamid sowieso nicht zurückhalten, wenn er es drauf anlegt, ins Camp zu stürmen. Und ganz ehrlich: Würdest du geduldig abwarten, wenn sie Jay hätten?«
»Natürlich nicht.«
Scott nickte. »Siehst du. Ich denke, es wäre wirklich gut, wenn er mitkommt. Dann haben wir ihn da drin auch besser unter Kontrolle.«
»Ich rede mit ihm.« Das kam schroffer rüber, als er beabsichtigt hatte. Aber der Gedanke nagte an ihm,
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