Luc - Fesseln der Vergangenheit
dass er ungewollt einiges verpasst hatte.
Scott zog zwar die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts. Luc entschloss sich zu einem Friedensangebot. »Wenn du willst, komm mit.«
»Hatte ich sowieso vor. Vermisst du deine Jasmin nicht?«
Sie war sein erster Gedanke gewesen, aber nach kurzem, unauffälligem Suchen hatte er ihre blonden Haare hinter einem vertrockneten Busch in der Nähe erspäht. »Wieso sollte ich? Vermutlich versorgt Timothy sie gerade mit den neuesten Gerüchten über mich aus meiner Zeit bei der Navy.«
Die bissige Bemerkung prallte an Scott ab. »Ich glaube nicht, dass ich ihm irgendeine Story übrig gelassen habe.«
»Großartig. Vielen Dank noch mal. Du bist ein wahrer Freund.«
»Finde ich auch. Aber dir ist klar, dass ich dachte, du hättest sie über deine Eltern aufgeklärt, oder?«
Luc rieb sich über die Augen, ehe er seine Sonnenbrille aufsetzte. »Das war sowieso fällig.«
Jasmin stand jetzt abseits der anderen und blickte auf die Wüste. Es zog ihn mit aller Kraft zu ihr, dennoch riss er sich zusammen und ging zu Hamid. Wie erwartet, reagierte der Afghane begeistert auf Lucs Vorschlag, sie in das Camp zu begleiten. Dass Hamid jedoch jegliche mögliche Gefahr ausblendete, beunruhigte Luc. »Wir können euch unmöglich alle dort reinbringen und schon gar nicht mit den Jeeps, die noch das Kennzeichen der Schweden tragen. Und noch mal, Hamid: Ich kann dir nicht garantieren, dass es gut geht. Wenn dich jemand erkennt, haben wir ein ernsthaftes Problem. Mir ist schon klar, dass es dich zu deinem Bruder zieht, aber unterschätze Melton nicht. Es wäre vernünftiger, in einiger Entfernung auf uns zu warten.«
»Würdest du an meiner Stelle draußen abwarten?«
Luc verzichtete auf eine direkte Antwort. »Dir ist aber auch klar, dass wir die Angelegenheit ohne Waffengewalt lösen werden. Eine Schießerei in dem Camp hätte fatale Folgen.«
»Das ist mir klar. Dazu wird es nicht kommen.«
»Also gut. Dann fahren wir jetzt weiter.«
Luc sprintete zu Jasmin und fühlte dabei förmlich die Blicke von Scott und Hamid in seinem Rücken. Sollten sie doch denken, was sie wollten.
Unsicher, wie sie auf die unerwartete Aufdeckung seiner Familienverhältnisse reagieren würde, blieb er vor ihr stehen. »Bist du sauer?« Als ob sie keine anderen Probleme hätten.
Jasmin zog die Nase kraus. »Das ist doch im Moment nicht wichtig. Aber nein, ich bin nicht sauer. Es hat mir nur gezeigt, wie wenig wir uns eigentlich kennen.«
»Und das beunruhigt dich? Ich finde es eher spannend, noch viele Seiten an dir zu entdecken. Meinst du, es wäre anders gelaufen, wenn wir uns in einer Strandbar getroffen hätten? Die Umstände sind zwar äußerst ungewöhnlich, aber dafür weiß ich alles über dich, was wichtig ist. Und einige nette Gemeinsamkeiten haben wir auch.«
»Und was wäre das?«
»Ich war zehn, als mein Vater mir das Autofahren beigebracht hat. Und du?«
Damit hatte er Jasmin aus dem Konzept gebracht. »Auch zehn. Woher weißt du das?«
»Von deinem Onkel. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Das, worauf es ankommt, wissen wir doch, oder?«
Mit angehaltenem Atem wartete er auf ihre Reaktion. Schweigend lächelte sie und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. Mit dieser Antwort konnte er leben. Vorläufig jedenfalls.
Auf dem Rückweg zu den Fahrzeugen legte Luc seinen Arm locker um Jasmins Taille. Konventionen hatten ihn noch nie interessiert und ihm war schlichtweg egal, was seine oder Hamids Männer über ihn dachten.
»Du bist unmöglich«, flüsterte Jasmin ihm zu.
Luc hob lediglich eine Augenbraue. Bei ihrem Range Rover angekommen, öffnete er ihr zuvorkommend die Wagentür. »Du darfst es dir hinten gemütlich machen. Ich übernehme.«
»Klar, jetzt wo es ein Kinderspiel wird … Bist du in Ordnung?«
»Ja, absolut.« Hamid winkte ihm zu und hob drei Finger. Mit einem Nicken signalisierte Luc seine Zustimmung. Drei Männer konnten sie problemlos in ihren Fahrzeugen unterbringen, und kein afghanischer Wachposten würde es wagen, genaue Personenkontrollen durchzuführen, wenn die Fahrer sich schon ausreichend legitimiert hatten.
Die Straße war wie erwartet in hervorragendem Zustand. Das Außenlager befand sich in der Nähe der Stadt Pul-i-Kumri auf einer Anhöhe und war durch einen Wall aus grobem Kies befestigt, der an einigen Stellen von fantasievollen Geflechten aus Draht und Sandsäcken zusammengehalten und zusätzlich von Scharfschützen bewacht wurde. Luc konnte den
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